Basel und Baselitz verbindet mehr als ein schöner, aber zufälliger Gleichklang im Namen. Die Schweizer Stadt am Rheinknie ist für den deutschen Künstler, der 1938 im sächsischen Deutschbaselitz geboren wurde, eine wichtige Station auf seinem Karriereweg.
1970 hatte Georg Baselitz im Kunstmuseum Basel seine erste Museumsausstellung. Seit einem Jahr hat der unternehmungslustige Künstler, der schon oft und gern den Wohnort gewechselt hat, auch einen Wohnsitz am Rheinknie.
Die Fondation Beyeler in Riehen und das Kunstmuseum Basel nehmen diese Verbindung des Künstlers zu Basel zum Anlass, den grossen Maler, Bildhauer und Zeichner, der am 23. Januar seinen 80. Geburtstag feiert, mit grossen Ausstellungen zu würdigen.
Ein Sinn fürs Hässliche und Skandalöse
Als Baselitz das erste Mal im Kunstmuseum Basel zu sehen war, hatte Georg Baselitz, der in Berlin Ost und West seine Ausbildung erhalten hatte, sich bereits einen Namen gemacht – als expressiver junger Künstler. Als einer, der Diskussionen anregt.
1963 sorgte die Präsentation seines Gemäldes «Die grosse Nacht im Eimer» für einen Skandal. Dem Künstler wurde vorgeworfen, er zeige einen masturbierenden Krüppel, er richte sein Augenmerk gezielt auf das Kaputte, das Abstossende.
Das wollte man in den frühen 1960er-Jahren in Deutschland nicht sehen. Man wollte heile Welt spielen. Baselitz stellte sich von Anfang an quer zu dieser gebügelten Selbstauffassung seiner Landsleute.
Er ging seinen eigenen Weg
Der junge Baselitz suchte die Auseinandersetzung mit dem Hässlichen, dem Grotesken, mit dem, was viele Zeitgenossen nicht sehen wollten. Und er suchte nach einem eigenen künstlerischen Weg.
Die beiden Basler Ausstellungen zeichnen diese Suche sowie den Erfolgsweg des Künstlers anhand bekannter und auch weniger oft gezeigter Werke nach. Die Fondation Beyeler schmückt sich mit den grossen berühmten Ölbildern.
Das Kunstmuseum Basel bescheidet sich mit den Arbeiten auf Papier, die aufs grosse Publikum eine geringere Anziehungskraft ausüben dürften als die Malerei. Diese strikte Aufteilung ist auch inhaltlich nicht ganz optimal. Wie eng Malerei und Zeichnung verbunden sind, das lässt sich so leicht übersehen. Auch dass Baselitz in der Zeichnung manches vorweggenommen hat, was prägend wurde in seinem Werk.
Adler im Sturzflug
Dazu zählt das Prinzip der Umkehrung. Auf der Suche nach der eigenen Bildsprache beginnt er, seine Motive auf den Kopf zu stellen. Zuerst in Zeichnungen wie «Das Kreuz» von 1968.
Ab den 1970er-Jahren stellt er seine Motive auch in der Malerei auf den Kopf. Eines der Schlüsselwerke seines Schaffens ist «Fingermalerei – Adler» von 1972. Das Ölbild, das – wie es der Bildtitel sagt – direkt mit den Fingern, den Händen auf die Leinwand gemalt wurde, zeigt einen auf den Kopf gestellten Adler. Das so imposante Wappentier, das als Symbol der Stärke gilt, scheint sich dadurch im haltlosen Sturzflug zu befinden.
Indem er seine Motive umkehrt, stellt er nicht nur ihre Bedeutung auf den Kopf. Baselitz löst seine Motive damit auch aus dem Bereich der Realität. Mit der Umkehrung ist es ihm gelungen, einen eigenen Weg zu finden, einen dritten Weg zwischen figürlicher Malerei und Abstraktion.
Baselitz malt die Bilder übrigens wirklich kopfüber. Mitte der 1970er-Jahre begann er nach Fotos zu malen, was die Umkehrung der Motive erleichterte.
Selbstironisch und neongrell
Trotz der etwas unglücklichen Aufteilung – hier grosse Ölbilder, dort weniger populäre Zeichnungen – bieten die beiden Ausstellungen zusammen einen guten Einblick in die das Schaffen Baselitz von den 1960er-Jahren bis heute – vom jungen, aggressiven Künstler auf der Suche nach sich selbst und auf Konfrontationskurs mit der Gesellschaft bis zum arrivierten Kunststar von heute, der immer noch zu überraschen weiss.
Zu den jüngsten Arbeiten der Schau bei Beyeler gehören grossformatige Männerakte, auf dem Kopf stehend, wie gehabt, aber in grellen Neonfarben, die poppig, aber auch kränklich wirken. Titel wie «Bis auf weiteres abwärts» geben diesen Bildern eine selbstironische Note.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 19.1.2018, 17.10 Uhr.