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Rassistische Kunst? Bitterer Streit um Washington-Fresken in San Francisco

In San Francisco werden Kunstwerke abgedeckt, die George Washington als Sklavenhalter zeigen. Die Debatte über die Bilder spaltet die liberale Öffentlichkeit der Stadt – und ist symptomatisch für eine neue Art von Intoleranz.

San Francisco hält sich gern für die toleranteste Stadt der Welt. Hier nahm die Hippiebewegung ihren Ausgang, hier wagten es Homosexuelle erstmals, öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen.

Die Stadt sei von einer ständigen Erweiterung der Freiheiten geprägt, sagt der Soziologe Peter Richardson von der San Francisco State University. Entsprechend zieht die Stadt auch die Menschen an, die diese Freiheiten ausleben wollen.

Bitterer Streit

Aber jetzt ist in der Stadt ein bitterer Streit entbrannt. Es geht um Toleranz versus politische Korrektheit, um die Bewahrung von Kunst versus die politische Zensur von Bildern.

Schüler laufen an einer Schulwand vorbei. Sie ist bemalt.
Legende: Im ganzen zieren 13 Wandgemälde von Victor Arnautoff die George-Washington-Schule. Keystone / Yalonda M. James

Nachdem im ganzen Land Statuen niedergerissen wurden, die das Andenken der konföderierten Südstaaten hochhielten, werden auch andere öffentliche Kunstwerke ideologisch unter die Lupe genommen.

Sklavenhalter und Eroberer

In San Francisco traf es nun Victor Arnautoff, ein linker Künstler, der im Jahr 1936 mit öffentlichen Geldern eine Serie von 13 Wandgemälden an der George-Washington-Schule schuf.

Malerei an der Wand: ein Mann zeigt auf einen Sklaven.
Legende: Anlass für eine hitzige Diskussion: das Bild «Life of Washington» von Victor Arnautoff, das den berühmten US-Präsidenten als Sklavenhalter zeigt. Keystone / ERIC RISBERG

Zwei davon rüttelten am Bild des Nationalheiligen George Washington. Sie zeigten ihn als Sklavenhalter und Eroberer, der beim Zug gen Westen über die Leichen der amerikanischen Ureinwohner ging.

Diese Darstellung der Unterdrückung ist heute der Stein des Anstosses. Die Bilder könnten Kinder mit afroamerikanischem oder indianischem Hintergrund traumatisieren, heisst es.

Rassistische Kunst?

Robert Cherny, Historiker und Experte für die in der Zeit der Depression geschaffene Kunst, versteht das nicht. Eine seiner Veranstaltungen, bei der er den Hintergrund von Arnautoffs Fresken erläutern wollte, wurde von brüllenden Aktivisten gestört, die gegen die vermeintlich rassistische Kunst protestierten.

Eine ältere Dame malt ein Transparent. Darauf steht: Educate not eradicate.
Legende: Vor der Schule in San Francisco: «Ausbilden, nicht ausrotten», schreibt eine Aktivistin auf ihr Transparent. Keystone / Samantha Maldonado

Ein absurder Vorwurf, findet Cherny. «Die Absicht des Künstlers war es, die Sklaverei und den Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern zu kritisieren», sagt Cherny. «Aber diejenigen, die diese Bilder nun zerstören wollen, sagen, dass die Absichten des Künstlers unwichtig seien.»

Erzkonservative unter Polizeischutz

In San Franciscos Politik gibt es praktisch keine Konservativen mehr. Bei Wahlen treten oft, wegen des seltsamen kalifornischen Vorwahlsystems, nur Kandidaten der Demokratischen Partei gegeneinander an.

Viele Leute stehen in einer Halle in der Schule, hinter ihnen ist eine bemalte Wand.
Legende: Hinten: das Werk des aus Russland emigrierten Künstler Victor Arnautoff. Vorne: erhitzte Gemüter. Keystone / Eric Risberg

Viele Aktivisten haben keine Toleranz mehr für alles, was sich ausserhalb ihres engen ideologischen Horizonts abspielt. Erzkonservative Intellektuelle, die sich an die Universität Berkeley wagen, können oft nur noch unter Polizeischutz reden.

Was soll die Kunst?

Die linke Öffentlichkeit spaltet sich nun an der Frage der Arnautoff-Gemälde: auf der einen Seite die eher traditionellen Linken, für die Kunst provozieren soll, auf der andern die Identitätspolitiker, die Kunst nach dem Kästchenschema ihrer politischen Weltsicht beurteilen.

Die Schulbehörde reagierte auf die Proteste mit einem Kompromiss: Mit vier gegen drei Stimmen beschloss sie am Dienstag, die Fresken mit Paneelen zu verdecken. Darauf sollen Bilder gemalt werden, die «inspirierend» auf die jungen Menschen wirken. Für den Soziologen Peter Richardson ein Rezept für eine einlullende, weichgespülte Kunst – also überhaupt keine Kunst.

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