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Riesen-Retrospektive London feiert David Hockney

Die Tate Britain würdigt David Hockney mit seiner bislang grössten Werkschau. Der britische Maler, Zeichner, Fotograf wird demächst 80 – genug gesehen hat er noch lange nicht.

Das Wichtigste in Kürze

  • Rekord: Die Retrospektive in der Tate Britain versammelt fast 300 Werke des Malers.
  • Die chronologisch-thematisch sortierte Schau umfasst gut 60 Schaffensjahre des Künstlers.
  • Neben den bekannten Hockneys sind auch neue Kohlezeichnungen zu entdecken.

Arbeiten aus 60 Jahren

So viele Hockneys an einem Ort gab es noch nie: Die Retrospektive versammelt knapp 300 Werke des Malers. Entsprechend gross ist das Interesse beim Publikum. 20'000 Karten gingen schon im Vorverkauf weg: ein neuer Rekord für die Tate Britain. Mit Hockney, das weiss man an der Themse, liegt man nie falsch.

David Hockney – mit Brille, Mütze und einem Lachen im Gesicht.
Legende: Erkundet unermüdlich seine Welt: der Maler David Hockney. Tate Britain

Die chronologisch-thematisch sortierte Lebenswerk-Schau umspannt gut 60 Schaffensjahre des Künstlers. Sie ist bestückt mit Leihgaben von Galerien und Privatsammlern in aller Welt. Und natürlich mit hauseigenen Schätzen.

«A Bigger Splash»

Eine der prominentesten Hockney-Ikonen erwarb die Tate 1981: die 1967 entstandene Momentaufnahme «A Bigger Splash».

Das Gemälde hängt in der Abteilung «Sunbather» («Sonnenbadender»). Es zeigt einen Swimmingpool in Kalifornien unter wolkenlosem Himmel, im Hintergrund Bungalow und Palmen und – ganz vorn im Bild – ein verwaistes Sprungbrett über aufspritzendem Wasser.

West Coast-Feeling in Pop Art-Manier

«A Bigger Splash»: vor 50 Jahren war dies die Chiffre für Hockneys Auftritt in der Neuen Welt. Damals war er nach Kalifornien übergesiedelt und fest entschlossen, in den West Coast-Way-of-Life und in die Kunstszene rund um Hollywood einzutauchen.

Tate Modern im Wandel

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Strände, Canyons, Landstrassen, Vorstadtgärten, manikürte Rasen, Interieurs und immer wieder Swimmingpools: sie wurden Hockneys bevorzugte Sujets.

Gemalt hat er sie in pseudo-naturalistischer Pop Art-Manier: heiter-plakativ, in kräftigen Farben und immer aus der Perspektive des pseudo-naiven, coolen Beobachters.

Hinzu kam – als Leitmotiv mit Variationen – der Themenkomplex Homoerotik. Seinen Niederschlag fand das Thema in zahlreichen Porträts von Freunden und Mäzenen des Künstlers.

Erlebnis für eine ganze Generation

Tate Britain-Direktor Alex Farquaharson betont: «Gerade die grossformatigen Doppelporträts sieht man wirklich nur einmal pro Generation, Bilder wie American Collectors (Fred and Marcia Weisman), Christopher Isherwood and Don Bachardy oder Portrait of an Artist (Pool with Two Figures). Sie sind hier zum ersten Mal wieder vereint – nach fast 30 Jahren.»

Vieles in der Schau dürfte hinlänglich bekannt sein; auch die in Hockneys nordenglischer Heimat Yorkshire entstandenen raumgreifenden Wald- und Landschaftspanoramen. Sie wurden in London zuletzt 2012 in der Hockney-Schau der Royal Academy gezeigt.

Sehbesessenheit als Triebfeder

Und doch gebe es hier noch viel zu entdecken, so Tate Britan-Chef Farquaharson: «Zum Beispiel die erst 2013 entstandene Serie ‹Arrival of Spring› mit al fresco-Kohlezeichnungen des Meisters. Allein diese Wachheit des Auges – wunderbar.»

Ein Mann beim Schwimmen im Pool – ein anderer schaut ihm zu: Hockney-Gemälde «Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)».
Legende: Genau hinschauen – auch beim Schwimmen: «Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)». Tate Britain

Eine Abteilung trägt den Titel «Close Looking». Genau darum gehe es ihm schon immer, erklärte Hockney zur Eröffnung der Tate-Ausstellung: um das genaue, richtige, psychologische Sehen.

Diese Sehbesessenheit manifestiert sich in allen seinen Arbeiten, sie ist die Triebfeder für Hockneys Vitalität und den ungeminderten Enthusiasmus des bald 80-Jährigen, der unermüdlich seine Umwelt erkundet: als Maler, Zeichner und Fotograf.

Experimentierlust

Die Retrospektive endet in Raum 13 – bei den Experimenten des Künstlers mit modernsten Bildgebungsverfahren: hier die Fingerübungen und verspielten Tricksereien mit iPad und iPhone – dort das Naturerlebnis als grossflächige Videoinstallation im Cinematoscope-Format.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «David Hockney» ist noch bis am 29. Mai 2017 in der Tate Britain zu sehen. Anschliessend wandert sie ins Centre Pompidou nach Paris und danach weiter ins Metropolitan Museum nach New York.

Hockneys geballte Experimentier- und Innovationslust konzentriert sich am Ende einmal mehr auf das visuelle Erlebnis an sich, konkret: die Einübung neuer, sich permanent verändernder Sehgewohnheiten.

Der Gag für die «Sun»

Im Vorfeld der Werkschau hatte Hockney noch schnell das Logo der Boulevardzeitung «The Sun» auf deren Titelseite neu gestaltet – per iPad und nur für eine Ausgabe. Eine weisse Sonne auf rotem Hintergrund, dazu ein paar Strahlen – fertig.

Ob der Gag der Auflage des Blatts genutzt hat, ist zu bezweifeln. Sicher ist: in der Tate steckt der angehende Jubilar ganz andere Lichter auf. Deren Leuchtkraft steht bis auf Weiteres um so höher im Kurs.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 9.2.2017, 7.20 Uhr

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