Manche Bilder von Roee Rosen sind schwer zu ertragen. Zum Beispiel die Serie «Vladimir’s Night» (2014), die mit harmlosen Wasserfarben gemalt wurde.
Lange vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine malte sich der israelische Künstler für diese Arbeit im Detail aus, wie Putin gefoltert wird.
Scheren und andere Haushaltsgegenstände werden Wladimir in den späteren Blättern aufschneiden und zerstückeln.
Die schwer zu ertragenden Blätter, die im bezaubernden Stil sowjetischer Kinderbücher gemalt wurden, stürzen Betrachterinnen und Betrachter in unauflösliche Widersprüche.
Rachetraum eines fiktiven Künstlers
Darf so eine Gewaltfantasie nach dem Einmarsch der russischen Truppen nachvollziehbar sein? Und was ist, wenn die Arbeit viel früher entstand? Unter welchen Umständen ist Gewalt als Blatt an der Museumswand in Ordnung?
Roee Rosen geht noch weiter: Die Serie stamme gar nicht direkt von ihm, behauptet der Künstler. Sie soll der gewalttätige Rachetraum eines fiktiven Künstlers sein: Maxim Komar-Myshkin, der aus Russland nach Israel floh.
Kunst mit doppeltem Boden
Roee Rosen ist als Geschichtenerzähler mit allen Wassern gewaschen und sagt: «Das Album ‹Vladimir’s Night› ist wie eine künstlerische Voodoo-Puppe. Wir wissen aber nicht, ob sie auch wirklich funktionierte, wie es sich Maxim Komar-Msyhkin ausmalte.»
Konstruktionen mit doppeltem Boden, die das Verhältnis von Fiktion und Realität hinterfragen, sind eine Spezialität des israelischen Künstlers. Sein neuster Film «Kafka for Kids» ist eine krude Mischung aus beidem.
Einerseits erzählt ein Märchenonkel im Schlafrock von Gregor Samsas «Verwandlung», andererseits reflektiert der Film im Kinderprogramm über die Stellung von Kindern und ihre Ungleichbehandlung durch das israelische Rechtssystem: palästinensische Kinder sind früher strafmündig als israelische.
Die Ungerechtigkeit wird nicht aufgelöst, sondern analytisch weitergetrieben in ihre widersprüchlichen Konsequenzen.
Ganz schön düster
In Rosens Werken spielt Gewalt eine Hauptrolle, das zeigt die Luzerner Ausstellung: Sei es Gewalt gegen Kinder, gegen Juden, gegen Frauen, gegen Menschen, die sich illegal in einem Land aufhalten.
Immer sind diese Werke wunderschön, mit einer glatten Oberfläche, für die der begnadete Zeichner Roee Rosen mit viel Perfektionismus sorgt. «Auch wenn ich mich in meiner Kunst um düstere Inhalte kümmere, nutze ich immer eine Ästhetik der Verführung, Schönheit und Verzierung», so der Künstler.
Diese Widersprüche in Rosens Kunst sind es, die Fanni Fetzer, Direktorin des Kunstmuseums Luzern, faszinieren. Schönheit begleitet Gewalt, die ins Unerträgliche gesteigert ist.
«Ich finde das nicht interessant, weil ich die Leute vor den Kopf stossen will. Nein, weil ich glaube, dass dieses ‹immer noch schlimmer, noch wilder, noch heftiger› ziemlich genau unsere Gegenwart beschreibt», sagt Fetzer.
In dieser Ausstellung lässt sich also gut nachdenken; über das Jetzt, Gewalt, Schönheit und viele Widersprüche. Vielleicht stösst man dabei auch auf Lösungen.