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Kulturplatz 11.5.2005: Christian Menn über den Brückenbau
Aus Kultur Extras vom 20.07.2018.
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Schweizer Brückenbauer tot Christian Menn: Als hätte er die Schwerkraft überlistet

Sunnibergbrücke, Biaschina-Viadukt, Ganterbrücke: Christian Menn prägte mit seinen Werken die Schweizer Landschaft. Nun ist der Ingenieur im Alter von 91 Jahren gestorben.

Christian Menn hatte Glück. Als er sein Studium an der ETH Zürich 1956 abschloss und bald in Chur sein eigenes Büro eröffnete, wurde am Schweizer Strassen- und Nationalstrassennetz auf Teufel komm raus gebaut.

In der gebirgigen Schweiz waren Brücken gefragt. Und so begann Menns Karriere zwischen Andeer und Sufers im Kanton Graubünden. 1959 – im Geburtsjahr seiner Tochter – baute er seine erste Brücke: die elegante Crestawaldbrücke, die an die wunderbaren Stahlbetonbrücken von Robert Maillart erinnert.

Schwarz-Weiss-Aufnahme einer Brücke über einem Bergbach
Legende: Nützlichkeit und Schönheit: Diese Kriterien waren Christian Menn gleich wichtig. (Crestawaldbrücke) Wikimedia

Brückentradition und Vitruv

Dem jungen Brückeningenieur waren zwei Dinge wichtig. Zum einen der klare Bezug zur Schweizer Brückenbautradition seiner Vorgänger Robert Maillart und Othmar Ammann, zum andern die unerschütterliche Überzeugung, dass der römische Architekturkritiker Vitruv mit seiner Forderung nach Festigkeit, Nützlichkeit und Schönheit recht hatte.

Porträt Christian Menn
Legende: Christian Menn: Ingenieur, Brückenkonstrukteur und ehemaliger ETH-Professor. (Aufnahme 2001) Keystone

Eine Brücke musste selbstverständlich sämtlichen Normen und Vorschriften entsprechen, aber ebenso müssten Kosten und Ästhetik im Gleichgewicht sein, predigte Menn – auch während seiner Zeit als Professor an der ETH.

Hässlich und teuer macht keinen Sinn

Eine Brücke, die hässlich und teuer sei, mache keinen Sinn, sagte Christian Menn einmal und plädierte für die Schönheit. Allerdings ärgerte er sich auch über Berufskollegen, die nur das Spektakel im Sinn hatten.

Audio
Die Kunst des Brückenbauens
aus Kontext vom 17.02.2016. Bild: Keystone/MARTIN RUETSCHI
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«Ich finde es falsch, wenn man von einer willkürlichen architektonischen Vorstellung ausgeht und die dann ins Umfeld einpasst», sagte Menn vor einigen Jahren in einem Radiointerview.

Viadukt in Berglandschaft
Legende: Das Biaschina-Viadukt ist Bestandteil der Autobahn A2 bei Giornico im Kanton Tessin. Flickr/Patrik Tschudin

Darum begann Menn bei allen Bauaufgaben immer mit einem sorgfältigen Studium der Landschaft. Das war bei den parallel stehenden Zwillingsbrücken auf der San Bernardinostrecke so, beim monumentalen Biaschina-Viadukt als Bestandteil der A2 im Tessin und der Ganterbrücke auf der Simplonstrasse im Wallis.

Eine Brücke in grüner Berglandschaft.
Legende: Die Ganterbrücke bei Brig (VS) führt zum Simplonpass. Keystone

Elegant und mächtig

Dabei zeigte sich, dass der nüchtern rechnende Menn nie restlos zufrieden war mit seinen Werken. Die Ganterbrücke, die wie eine majestätische Betonskulptur im Tal steht, sei ihm zu mächtig und klobig geraten, meinte Menn selbstkritisch.

Dennoch: Sie ist in ihrer Mischung aus Eleganz und brachialer Mächtigkeit ein umwerfendes Kunstwerk, das selbstbewusst in einer markanten Berglandschaft steht.

Brücke in waldiger Landschaft
Legende: Die 526 Meter lange Sunnibergbrücke in Klosters. Keystone

Die Schwerkraft überlistet

Die Sunnibergbrücke bei Klosters aber liebte Menn über alles. Diese Schrägseilbrücke, zu deren Einweihung Prinz Charles anreiste, schwingt sich in einem feinen Bogen über das Tal, steht auf Pfeilern, die sich nach unten verjüngen und bietet den Gästen vor Klosters eine ingenieurtechnische Meisterleistung.

Viel Denk- und Konstruktionsarbeit hat Menn hier hineingesteckt und scheint dabei die Schwerkraft überlistet zu haben. Die Gäste, die nach Klosters und Davos kommen, sollten mit etwas Besonderem empfangen werden, umschrieb Menn seine Botschaft.

Mit seinen 100 Projekten hat Menn eindrücklich bewiesen, dass die kluge und verantwortungsvolle Arbeit eines Ingenieurs auch ein Kulturgut sein kann.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Nachrichten, 20.07.2018, 6.00 Uhr

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