«Ein gutes Foto brennt sich ins Gedächtnis des Betrachters ein. Unmöglich, es zu vergessen», erklärte der tschechische Fotograf Josef Koudelka einst. «Roumanie», sein Bild eines Mannes, der vor einem Pferd hockt, das devot den Kopf senkt, ist ein solches.
Das Foto ist eine Momentaufnahme. Trotz der Bewegung wohnt ihm eine gewisse Ruhe inne. Es ist eine bewusste Komposition – wie bei vielen Aufnahmen Koudelkas.
«Thematisch ist sein Werk divers und über mehrere Werkkörper unterschiedlich,», sagt Lars Willumeit, Kurator im Museum Photo Elysee in Lausanne: «Aber die Präzision, wie er die Bilder auffasst und wie er sie komponiert, zieht sich durch sein gesamtes Werk.»
Blick in Koudelkas persönliches Archiv
Der Kurator hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren 30’000 Kontaktbögen Koudelkas aus den Jahren 1962 bis 2012 gesichtet. Er wollte damit die Arbeitsweise des Fotografen dechiffrieren, der exklusiv für ihn seine Archive geöffnet hat. Diese Archivrecherche ist die Basis der Ausstellung «Ikonar» im Museum Photo Elysee.
Angefangen zu fotografieren hat der 1938 in Mähren geborene Koudelka schon als Teenager. «Er hat Walderdbeeren gesammelt und verkauft und sich mit dem Erlös seine erste Kamera gekauft», erzählt Kurator Willumeit.
Menschen im Exil im Zentrum
Während seines Studiums des Luftfahrtingenieurwesens in Prag beginnt Josef Koudelka in Theatern zu fotografieren. Er experimentiert mit Licht und Schatten, wählt kontraststarke Filme und geht in der Dunkelkammer bis in die Abstraktion.
Auf Festivals begegnet er Roma-Musikern: «Da ist etwas in ihrer Musik, und wer genau hinhört, versteht, warum ich sie fotografiere», sagte Josef Koudelka vor ein paar Jahren im Chicago Art Institute.
Mit den Roma fühlt er sich bis heute verbunden. «Josef Koudelka sagt, er habe das Theater wie das Leben fotografiert», erzählt Lars Willumeit. «Dann habe er das Leben der Roma eigentlich wie ein Theaterstück inszeniert.» Wochenlang hat er sie auf ihren Reisen begleitet.
Eines Tages habe Koudelka einige Roma getroffen, nachdem sein Buch 1975 über die Roma erschienen ist. Als er ihnen erzählt, dass er Fotograf ist, sagen sie: «Wir kennen dich, du bist der Ikonenmacher. Wir benutzen deine Bilder in unserer Kirche für unsere Fürbitten.» Deswegen heisst die Ausstellung im Photo Elysee auch «Ikonar», was in der Sprache der Roma Ikonenmacher bedeutet.
Ein neugieriger Humanist
Als er 1968 von einer seiner Reisen nach Prag zurückkehrt, gerät er mitten in die Aufstände des Prager Frühlings und fotografiert sie. «Ich bin kein mutiger Mann», sagte der heute 84-Jährige vor ein paar Jahren.
«Im Gegenteil. Wer mich damals fotografieren sah, dachte wohl, ich benehme mich wie ein durchgeknallter Idiot.» Die Situation sei aussergewöhnlich gewesen, auch die Aufständischen hätten sich so benommen.
Seine Fotos werden ausser Landes geschmuggelt und dort veröffentlicht. Danach geht Koudelka ins Exil. Erst nach London, wo er Mitglied der renommierten Magnum Fotoagentur wird. Später zieht er nach Paris, er erhält die französische Staatsbürgerschaft.
Seine Kleinbildkamera hat er unterdessen gegen eine Panoramakamera getauscht. Immer öfter fotografiert er Landschaften: Industriegebiete an der deutsch-tschechischen Grenze oder die Mauer in Israel. Sein fotografischer Blick bleibt dabei immer neugierig und in humanistischer Tradition den menschlichen Erfahrungen gewidmet.