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Kunst Sex, Drogen, Rock 'n' Roll – und Comix

Mit wüsten Geschichten über Sex, Drogen, Rock 'n' Roll und Politik brachen die Underground Comix 1968 alle Tabus. Die Zeichner definierten sich neu als Autoren, neue Vetriebswege und Verlage enstanden. Das internationale Comix-Festival Fumetto und das Kunstmuseum Luzern widmen sich dem Thema.

Im Frühjahr 1968 schob ein schlaksiger junger Mann in einem viel zu weiten Anzug einen Kinderwagen durch das Hippie-Viertel Haight-Ashbury in San Francisco. Der Mann hiess Robert Crumb. Im Kinderwagen lag sein Baby: Kein Kind, sondern die erste Ausgabe des Underground Comix «Zap Comix»

Comix – Aktuelle Ausstellungen

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Fumetto – Internationales Comix-Festival Luzern, 16.-24. März 2013

Robert Crumb & The Underground: Kunstmuseum Luzern, 16. März – 12. Mai 2013

Geburtsstunde der Underground Comix

Parallel zum gesellschaftlichen Aufbruch in den 60er Jahren erfanden Künstler wie Robert Crumb, Bill Griffith, Gilbert Shelton und S. Clay Wilson den Comic neu: Sie zeigten, dass Comics auch etwas anderes sein können als Unterhaltung für die ganze Familie. Und auch mehr als moralisch verklemmte Fantasien um testosterongesteuerte Superhelden in engen Pyjamas.

Sie entdeckten das Potential des Comics, persönliche Dinge auszudrücken, und griffen die Themen auf, die die bewegte Jugend beschäftigten: Sex, Drogen und Rock 'n' Roll, aber auch politische Stoffe wie die Bürgerrechtsbewegung und den Vietnamkrieg. Und das alles umgesetzt in eine Bildsprache, die lockerer, wilder, experimenteller und manchmal auch dilettantischer war als im Mainstream-Comic.

Comix-Porträt
Legende: Robert Crumb im Selbstporträt. Fumetto 2013

Robert Crumbs «Zap Comix»

Die Comix - mit dem subversiven «x» - befreiten den amerikanischen Comic von seinen Klischees und gaben ihm den anarchischen Geist und die Freiheiten seiner Anfänge zurück. Das Bedürfnis nach Underground Comix war riesig. Sie nutzten die Vertriebswege der Gegenkultur – Headshops, Plattenläden, Buchhandlungen, Universitäten, Demos, Konzerte etc. – und erreichten Auflagen von mehreren hunderttausend Exemplaren. So auch Crumbs «Zap Comix».

Robert Crumb war der wichtigste Vertreter der Underground Comix und wurde zum Aushängeschild der Hippiekultur, obschon er sie eigentlich verabscheute. Der Mann, der nie Blumen im Haar, sondern einen zerknautschten Hut trug, entlarvte nicht nur die bürgerliche Doppelmoral des American Way of Life, sondern auch die gegenkulturellen Scheinheiligkeiten.

«Fritz the Cat»

Seine berühmteste Figur ist «Fritz the Cat», das satirische Porträt eines opportunistischen Mitläufers: «Fritz the Cat» beherrscht den Szenejargon, aber eigentlich schert er sich keinen Deut um Politik und Emanzipation – alles was er will, sind Sex und Drogen.

Dank seines gespaltenen Verhältnisses zur eigenen Szene und seiner Unabhängigkeit wurde Crumb zum schärfsten Chronisten seiner Zeit; bis heute haben seine Comix von damals nicht an Gültigkeit verloren und wirken in keinem Moment nostalgisch oder verklärend.

Pralle Hintern, üppige Busen

Audio
Christian Gasser: «Crumb lebte seine sexuellen Phanatsien in den Comix aus»
aus Kultur kompakt vom 14.03.2013.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 17 Sekunden.

Vielleicht noch wichtiger für die gegenwärtige Comic-Szene ist ein anderer Aspekt in Crumbs Arbeit: Crumb war einer der ersten, der sich selber konsequent zum Helden – oder Anti-Helden – seiner Comics machte.

Seine sexuellen Phantasien um pralle Hintern, üppige Busen und bizarre Positionsspielchen sind legendär; sie brachten ihm den Hass vieler Feministinnen ein, während andere gerade sein Bild starker, die Männer dominierenden Frauen lobten. Dank seiner scham- und schonungslosen Selbstinszenierung ist Crumb ein prägender Vorläufer der autobiographischen Comics, die in der heutigen Szene eine zentrale Rolle spielen.

Eigene Verlage und Vertriebskanäle

Ein Blick zurück auf die Geschichte der Underground Comix lohnt sich auch aus heutiger Perspektive: Vor 45 Jahren befreiten die Underground Comix den Comic von starren Stereotypen und Genres: Die Zeichner definierten sich nicht länger als Handwerker im Dienst einer Serienfigur, sondern als Autoren, die persönliche Geschichten für erwachsene Leserinnen und Leser erzählten.

Ausserdem schufen die Underground Comix ihre eigenen, vom Mainstream unabhängigen Verlage und Vertriebskanäle. So betrachtet legten die Underground Comix die Grundlage für eine Entwicklung, die dazu geführt hat, dass der Comic heute so interessant, vielfältig und respektiert ist wie nie zuvor in seiner Geschichte.

Video
«Die Monkey Wrench Gang» von Edward Abbey, illustriert von Robert Crumb
Aus Literaturclub vom 01.02.2011.
abspielen. Laufzeit 13 Minuten 44 Sekunden.

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