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Eine MAske durch einen kleinen Plastikrahmen betrachtet.
Legende: Alte Objekte neu betrachten: Dazu regt #letsmuseeum die Besucher an. SRF/Mirja Gabathuler

Spielplatz Museum Mit Yoga, Schnaps und Youtube durchs Museum

Statt trockenes Wissen versprechen die Museumsführungen von #letsmuseeum Tempo, Spass und Social Media. Eine Idee, die immer mehr Schule macht.

Noch vor wenigen Minuten standen wir vor dem Eingang des Museums Rietberg in Zürich – nun laufen wir im Zickzack durch die schmalen, unterirdischen Gänge des Schaulagers. Wer an einer Tour von #letsmuseeum teilnimmt, muss aufpassen, nicht abgehängt zu werden.

Das Schweizer Start-up verspricht auf seiner Webseite Museumsführungen mit «starkem Entertainment-Fokus und schnellem Tempo», für Menschen, die «Sex, Drugs & Rock’n’Roll» mögen.

Bei der heutigen Tour gibt Marketingfachfrau Jana Schiffmann den Takt an. «Bleibt schön zusammen!», ruft sie der Gruppe zu. Dann wird gemeinsam in den nächsten Raum getanzt. Schliesslich lautet das Motto: «Disco the Museum».

Einhörner und Flachmann

«Zappen durch die Jahrhunderte», nennt Jana das, was sie tut. Beim Erzählen springt sie hin und her, zwischen Antike und Gegenwart, Mainstream und Hochkultur, persönlichen Anekdoten und historischen Fun Facts.

Vor einem Glaskasten mit Südseemasken spannt sie den Bogen über Picasso zu Roger Federer, erzählt aus ihrer Kindheit und landet schliesslich bei Beyoncé. Nur etwas spart sie aus: Jahreszahlen.

Abgesehen davon, dass beide in einem Museum stattfinden, haben die Touren von #letsmuseeum mit einer herkömmlichen Führung wenig zu tun. Als Besucherin wird man mit wenig Wissen versorgt. Dafür unterhalten und zum Mitmachen animiert – etwa bei Mini-Raves, Yoga-Übungen oder Schätzfragen.

Vor der Büste des Museumsgründers macht ein Flachmann mit Grappa die Runde – ein Toast auf die Kunst! Nicht immer wird klar, was das nun soll. Aber irgendwie muss der versprochene Spass ja bei allen ankommen.

Fans statt Experten, Geschichten statt Fakten

Die #letsmuseeum-Touren leiten ein Musiker, eine Moderatorin, ein Journalist – nur keine Experten. Niemand hat Kunstgeschichte studiert, dafür sind alle «Fans». Auch Jana bezeichnet sich selbst als «verliebt in das Museum Rietberg».

Statt Wissen und Fakten werden persönliche Gefühle und Geschichten weitergegeben. Vorbild für #letsmuseeum sind «Museum Hacks» aus den USA: Der Besuch im Museum soll sich wie ein Abenteuer anfühlen – und nicht nur den Kopf ansprechen.

#letsmuseeum

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Hinter #letsmuseeum steht ein fünfköpfiges Team um Kulturveranstalterin Rea Eggli, die bereits «Märli für Erwachsene» oder Lesungen in Nachtclubs organisierte. Die Touren werden in verschiedenen Museen in Zürich und Bern angeboten. Eine Übersicht gibt es auf der Webseite.

«Fakten können heute auf jedem Smartphone innerhalb von Sekunden abgerufen werden. Deshalb wollen wie viel eher erzählen, was uns fasziniert, beschäftigt oder vielleicht auch verstört», sagt Rea Eggli, die Gründerin von #letsmuseeum. «Wir wollen mit den Touren ganz klar unterhalten – hoffen aber auch, dass so am Ende etwas haften bleibt.»

Drei Frauen sitzen auf einer Bank, eine streckt das Bein in die Luft.
Legende: #Letsmuseeum in Zürich: Guide Jana Schiffmann (l.), eine Tänzerin und Gründerin Rea Eggli (r.). SRF/Mirja Gabathuler

Ohne Smartphone geht's nicht

Vor allem sollen auch Menschen abgeholt werden, die sonst nur selten im Museum anzutreffen sind. Dafür setzen die Touren auf digitale Hilfsmittel. Mit dem Smartphone müssen die Besucher Fotos knipsen, es werden Youtube-Videos abgespielt oder Hashtags zu den Objekten erfunden.

Mit diesem Ansatz ist #letsmuseeum nicht alleine: Vermittlung wird in Schweizer Museen zunehmend digital gedacht – und die soziale Medien als Mittel genutzt, um mehr Publikum zu erreichen.

Das hypervernetzte Museum?

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Am Internationalen Museumstag wird einmal im Jahr gezeigt, was die Museumswelt bewegt. Gestern Sonntag, 13.5, lautete das Motto: «Taggen, sharen, liken — das hypervernetzte Museum».

Die Fondation Beyeler öffnet etwa seit zwei Jahren unter dem Hashtag #EmptyBeyeler die Türen ausserhalb der Öffnungszeiten, damit Bloggerinnen und Instagramer die Ausstellung ohne störende Zuschauermassen ablichten können.

Andere Museen entwickeln Apps zu ihren Ausstellungen und planen Stationen für Museumselfies ein, organisieren Tweet-ups oder übertragen Führungen live per Persicope. Internationale Social-Media-Initiativen wie die kürzlich durchgeführte #MuseumWeek oder den @AskACurator-Tag haben unterdessen viele Teilnehmer.

Im englischsprachigen Raum ist teilweise sogar die Rede von «Made-For-Instagram»-Ausstellungen , also von Schauen, die visuell so eingerichtet sind, dass möglichst viele Bilder davon im Netz landen. Dass Besucher nicht nur ins Museum kommen, um Bilder zu sehen, sondern auch um Bilder zu machen: Mehr und mehr Institutionen erkennen darin eine Chance.

Am Ende ganz altmodisch

Auch #letsmuseeum reagiert auf veränderte Bedürfnisse. «Die Aufmerksamkeitsspanne ist heute gegenüber früher kürzer geworden», sagt Gründerin Rea Eggli: «Wie kann man gerade jüngere Besucher bei der Stange halten? Das ist eine Frage, die alle Museen beschäftigt.»

Allerdings bleibt bei der Zürcher #letsmuseeum-Führung auch das Analoge nicht auf der Strecke. Zum Schluss schiessen wir keine Selfies oder setzen keine Instagram-Posts ab. Sondern verschicken, ganz altmodisch, eine Postkarte.

«Die Schweiz hinkt den USA hinterher»

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Tanja Praske
Legende: Sylvie Herrmann

Drei Fragen an Kunsthistorikerin Tanja Praske, die digitale Vermittlung an der Ludwig-Maximilian-Universität in München lehrt, Museen in Sachen Social Media berät und darüber bloggt.

SRF: Tanja Praske, täuscht der Eindruck, dass Museen heute immer mehr auf digitale und soziale Medien setzen?

Tanja Praske: Mittlerweile können sich Museen nicht mehr vor dieser Entwicklung verschliessen, wenn sie langfristig bestehen wollen. Denn gerade ein jüngeres Publikum bringt ganz andere Wahrnehmungsmuster mit. Es passiert in diesem Bereich daher momentan sehr viel. Aber verglichen mit den USA oder Skandinavien hinken die Schweiz, Deutschland und Österreich noch hinterher.

Ist die klassische Führung ein Auslaufsmodell?

Nein. Denn neue Formate erweitern bloss, was bereits vorhanden ist. Das Digitale geht nicht ohne das Analoge: Was bringt eine hippe digitale Aktion, wenn der Besucher dann ins Museum kommt, und vor Ort nur das Herkömmliche findet? Neue Vermittlungsformate streben eine absolute Verschränkung des Digitalen und des Analogen an.

Besteht nicht die Gefahr, dass Inhalte dadurch oberflächlicher vermittelt werden?

Ich kenne diese Kritik, finde sie aber ziemlich elitär. Man muss überlegen: Wo hole ich den Besucher ab, wo ist er unterwegs? Wenn ich ihn mit tollen Bildern auf Instagram erreiche, tue ich das natürlich. Gleichzeitig kann ich zu den Bildern auch Geschichten erzählen, also Wissen vermitteln. Digitales Angebot heisst nicht Profanisierung. Es heisst auch nicht, dass die Aura des Objekts gestört wird oder am Ende keiner mehr ins Museum geht. Im Gegenteil.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 14.5.18, 17.10 Uhr

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