Peter Zumthor bewegt sich auf grossen Skalen, etwa beim aktuellen Museumsbau in Los Angeles. Was nicht heisst, dass das Kleine unwichtig wird: Zu seinem 80. Geburtstag ist die ganze Gasse seines Bündner Wohnorts Haldenstein eingeladen.
Der Baumeister spricht in seinem Garten über Veränderungen, Imperfektion und heitere Gebäude.
SRF: Ich konnte nicht widerstehen und habe Ihnen ein kitschiges Küchlein gekauft.
Peter Zumthor: Ich hatte immer eine Beziehung zu Kitsch (lacht). Es trifft etwas, das Menschen im Gemüt haben. Manchmal ist es vielleicht übertrieben oder banal, aber die Hauptrichtung verstehe ich gut.
Welcher Stellenwert hat Staunen in Ihrem Leben?
Ich würde es Empfindung von Schönheit nennen. Sie wird ausgelöst durch Landschaften, Kunst oder Menschen. Kürzlich war ich in einem kleinen Berggasthof, öffnete das Fenster und da waren diese Dolomiten, diese Wiesen … wunderbar!
Oder ich bin in einer Gruppe von Menschen, die auf gute Art miteinander umgehen. Auch das löst dieses schöne Gefühl aus. Es ist das Gegenteil von Einsamkeit, glaube ich.
Können Sie auch bei Hässlichem Schönheit empfinden?
Es gibt eine coole Hässlichkeit, die man schön finden kann. Die Hässlichkeit, die ich deprimierend finde, ist die biedere Schweizer Peripherien-Hässlichkeit. Das hat was Trauriges.
Schauen wir auf Peter Zumthor mit 40 zurück. Wo sehen Sie die grössten Veränderungen?
Ich bin heute ruhiger und gelassener. 40 war die Zeit, in der ich mir sagte: Jetzt will ich eintreten in den Club der Architekten. Dieses Holzhaus neben uns ist ein kämpferisches Holzhaus aus der Zeit. Es sagt: So sollte man Holzhäuser machen! Mein zweites Atelier ist ein gelasseneres Holzhaus, es sagt fast nichts mehr.
Wichtige Bauten von Peter Zumthor
Neben Gelassenheit wollen sie auch vermehrt Heiterkeit in ihre Bauten bringen. Was ist ein heiteres Gebäude?
Es ist leicht, elegant, nicht bedrückend. Nicht einmal sentimental oder romantisch. Es strahlt Zuversicht aus. Ich denke, mit der Heiterkeit bin ich nicht schlecht dran. Dieser Garten hier, er ist doch heiter, oder?
Ja, sehr.
Der ist von mir und meiner Frau. Da war vorher nur Wiese.
Wie stehen Sie eigentlich als Perfektionist zur Imperfektion?
In Los Angeles bauen wir ein riesiges Gebäude aus Sichtbeton, da kann einiges schiefgehen. Als ich das erste Mal dort war, haben sie mir erklärt, wie sie einen Fehler flicken wollten. Darauf schrieb ich: Was ihr hier macht, ist eine Betonskulptur und Skulpturen darf man nicht flicken!
Von da an machten sie fast keine Fehler mehr. Worauf ich kürzlich sagte, jetzt müssen wir dann eine neue Abmachung treffen: Jede zweite Woche müsst ihr wieder einen Fehler machen (lacht).
Es braucht also Imperfektionen, Unregelmässigkeiten
…
… menschliche Spuren. Handwerklichkeit. Der Direktor des Lacma in Los Angeles meinte, es sei vermutlich das letzte handwerklich erbaute Haus dieser Grösse in Amerika. Das hab ich erst später begriffen. Bei der Erweiterung des MOMA zum Beispiel ist alles Oberfläche, null Tiefe. Man sieht nicht, wie es gebaut ist.
Gibt es Dinge in ihrer Vergangenheit, die sie anders machen würden?
Mitte 80er machte ich meine drei ersten Bauten. Da merkte ich, das kommt nicht gut. Das bin nicht ich. An einem Samstag bin ich mit meiner Frau losgefahren. Wir haben die Gebäude angeschaut und kritisiert. Von da an schielte ich nicht mehr auf Vorbilder und mache nur noch was von mir, von innen rauskommt.
Meine Enkel fragten, ob es Gebäude gibt, die mir gar nicht mehr gefallen. Ich sage dann: Ja, eins! Ich sagte aber nicht welches.
Sagen Sie es mir?
Nein (lacht).
Das Gespräch führte Patricia Banzer.