«Stereomania» – der Titel der Ausstellung verrät: Hier geht es um einen Hype. «Die Stereoskopie war ab 1851 ein Massenmedium, das für grosse Begeisterung sorgte», weiss Aaron Estermann, der im Landesmuseum Zürich eine Ausstellung mit Stereoskopien eingerichtet hat.
Von 1850 bis 1910 hätten die Fotos mit 3D-Effekt eine regelrechte Euphorie ausgelöst, erklärt Estermann. Zeitgenössische Beobachter sprachen von einer «Stereomanie».
Fotos mit 3D-Effekt
Stereoskopien waren fotografische Bilder mit 3D-Effekt. Die Bilder wurden mit speziellen Stereokameras aufgenommen: «Die Kameras haben zwei Objektive, die seitlich leicht verschoben sind. Sie nehmen dadurch dieselbe Szene gleichzeitig aus zwei leicht unterschiedlichen Blickwinkeln auf», erklärt Aaron Estermann. Diese Aufnahmen wurden dann auf Kartons gedruckt.
«Wenn man nun mit einem Betrachter – mit einem sogenannten Linsenstereoskop – auf diese Karte schaut, dann wird das linke Bild nur dem linken Auge zugeführt und das rechte Bild nur dem rechten Auge. Das Hirn setzt diese Eindrücke dann zu einer Dreidimensionalität zusammen.»
Touristische Hotspots
Mit stereoskopischen Aufnahmen konnte man ferne Länder erleben. Man sah die Städte und Landschaften nicht nur wie auf Gemälden oder Fotos – man sah sie dreidimensional. Das war damals revolutionär. Besonders beliebt waren übrigens Aufnahmen aus der Schweiz.
«Die Stereofotografinnen und -fotografen sind den populären touristischen Routen nachgereist», sagt Aaron Estermann. «Oft begannen sie am Genfer See, gingen dann über das Wallis und das Berner Oberland bis in die Innerschweiz.»
Schloss Chillon, das Matterhorn, Interlaken – auf den stereoskopischen Aufnahmen von anno dazumal sind die gleichen Motive zu sehen, die auch heute Reiseführer und Ansichtskarten zieren.
Drei Beispiele von stereoskopischen Aufnahmen
Menschen im Bild waren zentral
Bei der Bildgestaltung der stereoskopischen Aufnahmen achtete man vor allem auf eine gute Ebenenstaffelung, sagt Aaron Estermann. «Die Fotografen wollten das Motiv in einen Vorder-, Mittel- und Hintergrund aufteilen. So konnten sie einen guten dreidimensionalen Tiefeneffekt hinkriegen.»
Im Vordergrund wurden oft Menschen abgebildet: «Diese dienten einerseits als Grössenvergleich und andererseits als Identifikation: Die Lehnstuhl-Reisenden zu Hause konnten sich so nämlich versichern, dass die Ansichten, die sie anschauten, auch wirklich von Interesse waren.
Ein Führer für Sofareisen
Stereoskopische Aufnahmen konnten einzeln gekauft werden, aber auch in «Boxed Sets» – in Schachteln, die wie solide gebundene Bücher aussahen. Optional gab es zum Stereoskopie-Set auch noch einen Reiseführer dazu, in dem jedes Bild ganz genau beschrieben war.
Mit den Stereoskopien und dem Reiseführer konnte man eine Reise planen – oder eine bereits gemachte Reise noch einmal Revue passieren lassen. Ein paar Jahrzehnte später machte man das dann mit einem Dia- oder Video-Abend.
Die ansprechende kleine Schau im Landesmuseum zeigt, wie eng die Entwicklung von Tourismus und Bildmedien miteinander verbunden war – das hat bis heute Gültigkeit.