An der Ecke Church und 14th Street in San Francisco, an der Aussenmauer eines Corner Stores, findet man ein etwa zehn mal drei Meter grosses Mural – ein Wandbild. Es gehört seit vielen Jahren zum festen Bild des Quartiers. Passanten laufen daran vorbei, ein Vater mit seiner kleinen Tochter auf dem Arm schaut genauer hin, deutet auf Personen und Einzelheiten im Bild.
Gemalt hat das Bild die Schweizer Künstlerin Mona Caron. Sie stammt ursprünglich aus Locarno, lebt und arbeitet aber bereits seit 1996 in San Francisco. Von ihr sind insgesamt 12 solcher Murals in der nordkalifornischen Metropole zu sehen.
Mikrokosmos in der Vogelperspektive
Hier in San Francisco treffe ich Mona Caron. Wir schlendern in eine Seitenstrasse und setzen uns an diesem sonnigen Tag auf die Stufen eines viktorianischen Gebäudes.
«Das Wandbild ist eine einzige Vogelperspektive auf die Market Street in San Francisco», sagt sie. «Darin vergleiche ich verschiedene Momente der Geschichte: Wie die Leute den öffentlichen Raum gebraucht haben, wie er sich geändert hat und was vielleicht mal wird.»
Mit Anwohnern im Gespräch
Dieses Wandbild ist eines der frühen von Mona Caron. Damals, als sie nach einem Studium an der Academy of Art in San Francisco hängen blieb, ein relativ günstiges Zimmer fand und eintauchte in die kreative Schaffenswelt der «City by the Bay».
Sie nahm sich Zeit, sprach mit Anwohnern über das, was ihnen im Quartier wichtig ist. Und verarbeitete all das in den riesigen Murals.
Mit Unkraut zur Berühmtheit
Doch das ist lange her. Bekannt ist sie nun geworden – und das weltweit – durch ihre riesigen Wandbilder, die Unkräuter darstellen, die in kleinsten Betonritzen wachsen. Mona Caron spricht von einer Metapher: Unkraut vergeht nicht.
So sei es auch in einer Stadt wie San Francisco, in der die Gentrifizierung unbarmherzig voranschreitet. «Ich fing an, diese Pflanzen zu malen, wie sie Zentimeter um Zentimeter wachsen und habe davon Trickfilme gemacht. Dies in einem visuellen Kontext, wo sie plötzlich grösser wurden als die Stadt selbst.»
Viraler Hit – mit 17 Followern
Mona Caron fing mit diesen Unkraut-Illustrationen auf den Dächern von San Francisco an, wollte damit die Rückeroberung der Stadt darstellen. Ein Kurzfilm auf YouTube wurde zum weltweiten Hit.
«Ich hatte nur 17 Follower. Aber irgendwie ist das raus, ging durchs Internet und plötzlich habe ich aus der ganzen Welt Nachrichten von Leuten bekommen, die sagten: ‹Ich weiss genau, wovon du sprichst›.» Post erhielt sie sogar aus dem Kriegsgebiet im Irak.
International gefragt
Danach wurde Caron an die unterschiedlichsten Orte eingeladen, um ihre Kräuter an kahlen, grauen Betonwänden wachsen zu lassen. Sie malte unter anderem schon in Brasilien, Mexiko und Taiwan.
Auf ihrem Instagram-Profil und auf YouTube hat Mona Caron seitdem viele Bilder und Videos veröffentlicht, die ihre Kunstwerke und sie selbst bei der Arbeit zeigen.
«Scheisse, was mach ich da?»
Doch auch nach all den Jahren ist das Wachsen der Unkräuter noch immer keine Routine geworden. Am Anfang, wenn sie vor der leeren Wand stehe, habe sie noch immer Bauchschmerzen.
«Ich denke mir, das werde ich nie fertigbringen. Früher hatte ich manchmal Monate an einer Wand. Es ist ein Wahnsinn, dass heutzutage nicht nur die Wände sehr viel grösser sind, sondern dass man mir sagt: ‹OK, du hast 15 Tage Zeit.›» Caron lacht: «Danke vielmals… Ja Scheisse, was mach ich da?»
Aufhören kann und will sie dennoch nicht, die Wände ziehen sie weiter an. Ihre Unkräuter wachsen auf grauem Beton weiter und nehmen sich den Platz zum Wuchern.