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Kunsthaus Zürich: Wissenschaftlicher Beirat der Bührle-Ausstellung tritt zurück
Aus Kultur-Aktualität vom 26.10.2023. Bild: KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER
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Streit um Bührle-Ausstellung Kunsthaus Zürich: Bührle-Beirat zurückgetreten

Nächste Woche eröffnet das Kunsthaus Zürich die neue Bührle-Ausstellung. Der wissenschaftliche Beirat, der sie begleiten sollte, tritt nun geschlossen zurück und ehebt happige Vorwürfe.

Das ist passiert: Bereits die erste Ausstellung der Bührle Bilder am Kunsthaus war von heftiger Kritik begleitet. Der Kontext von NS Verfolgung und Holocaust werde zu wenig berücksichtigt und Emil Bührle unkritisch als Mäzen gefeiert, so der Tenor 2021. Das Kunsthaus und dessen neue Leitung, Ann Demeester, versprach eine Überarbeitung. Nächste Woche soll die neue Ausstellung eröffnet werden, begleitet von einem unabhängigen wissenschaftlichen Beirat. Nun wurde bekannt, dass dieser geschlossen zurücktritt. Das berichtet der Deutschlandfunk. Das Rücktrittsschreiben liegt SRF vor. Der Rücktritt ist ein Eklat, denn der Beirat sollte garantieren, dass nach diversen Konflikten um die Bührle Sammlung, am Kunsthaus nun unabhängig und unparteiisch an Lösungen gearbeitet werde.

Welche Konflikte begleiten die Bührle Bilder? Für über 200 Millionen Franken erstellte das Kunsthaus mit grosser öffentlicher Beteiligung einen Erweiterungsbau, in dem die Leihgaben der privaten Bührle-Stiftung präsentiert werden können. Die wertvolle Kunstsammlung des Waffenproduzenten Emil Bührle umfasst Werke weltberühmter Künstler wie Renoir, Monet oder Cézanne. Allerdings ist nach wie vor unklar, ob darunter Werke sind, die den Erben der jüdischen Vorbesitzer zurückgegeben werden müssen. Die Provenienzen der Bilder werden derzeit unabhängig überprüft, weil das Kunsthaus und die Bührle-Stiftung dies zur Eröffnung nicht geleistet hatten. Schon die erste Ausstellung im Herbst 2021 wurde daher massiv kritisiert.

Was sind die Gründe für den Rücktritt? Der Beirat beanstandet zwei Dinge: Erstens seien die Texte der Ausstellung jeweils viel zu spät zum Gegenlesen übermittelt worden, Zeitdruck erschwert sorgfätiges Redigieren. Damit steht der Verdacht im Raum, dass das Kunstshaus den Beirat gar nicht wirklich ernst nahm und er nur als Feigenblatt amtete. Der zweite Grund, der im Rücktrittsschreiben herausgestellt wird, ist noch gewichtiger. Er betrifft die Ausrichtung der Ausstellung. Nach wie vor stehe Bührle zu stark im Zentrum, die Schicksale von entrechteten, vertriebenen, enteigneten und ermordeten Jüdinnen und Juden spielten eine zu kleine Rolle.

Warum soll eine Kunstausstellung den Holocaust berücksichtigen? Die Enteignung jüdischen Besitzes war ein systematischer Bestandteil der NS-Verfolgung. Bührle und andere Sammlerinnen und Sammler, wie etwa prominente Nazi-Grössen, profitierten von dieser Enteignung, der Kunstmarkt blühte auf. Vor allem, weil viele jüdische Sammlerinnen und Sammler in der Not ihre Flucht mit Bildverkäufen finanzieren mussten. Im Rücktrittschreiben heisst es nun, in der neuen Ausstellung «entstehe der Eindruck, die Schicksale der Opfer des NS-Regimes würden ein weiteres mal marginalisiert».

Was sagt das Kunsthaus dazu? Zurzeit erklären sich weder das Kunsthaus noch der Beirat. Keine der beiden Seiten wollte eine Stellungnahme abgeben. Der Sprecher des Kunsthauses und die Sprecherin des Beirates sagten, sie würden erst an einer Pressekonferenz nächste Woche ihre Sicht darlegen. Man habe sich auf dieses Vorgehen geeinigt, daran wolle man festhalten. Festhalten sollte man auch: Der Beirat distanziert sich von der Ausstellung (Stand 13. Oktober). Allfällige Überarbeitungen sind nicht ausgeschlossen.

Das sagt die Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester

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«Wir haben einen unabhängigen, kompetenten Beirat engagiert, der uns zur neuen Ausstellung der Sammlung Emil Bührle berät und immer wieder kritisch hinterfragt, das war das Ziel. Wir wollten Vielstimmigkeit. Dissens und Debatte ist Teil dieser Ausstellung», so Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester.

«Unsere zwölfmonatige Zusammenarbeit war von grossem gegenseitigen Respekt getragen. Aber am Ende stimmten wir darin überein, dass wir nicht in allen Aspekten der konkreten Umsetzung übereinstimmen. Das ist bedauerlich und zeigt, wie komplex die Thematik ist. Ich danke den Mitgliedern des Beirats, dass sie die Konzeption der Ausstellung in vielen Aspekten – mit Herzblut, wachem Blick und konstruktiver Kritik – entscheidend mitgeprägt haben, bedaure aber, dass wir in der konkreten Umsetzung keinen Konsens gefunden haben.»

An einer Medienkonferenz am 2. November werden weitere Hintergründe erläutert.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 26.10.2023, 17:10 Uhr;

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