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Streit um Bührle-Sammlung Viele Worte, nichts Neues

An einer Pressekonferenz legen Bührle Stiftung und Kunsthaus Zürich ihre Sicht der Dinge dar. Viele kritische Fragen zum Dokumentationsraum und zur Bührle-Provenienzforschung bleiben unbeantwortet.

Als Anfang Oktober rund 200 Bilder der Bührle-Stiftung im Chipperfield-Bau des Kunsthauses Zürich der Öffentlichkeit präsentiert wurden, war das Interesse gross. Die nationale und internationale Berichterstattung stürzte sich auf die beeindruckende Impressionisten-Sammlung – und die Probleme, die sie heute stellt.

Kritisiert wurde nicht nur die Provenienzforschung der Bührle-Stiftung, welche die Werke als unbedenklich klassiert, obwohl der Anschein der Befangenheit besteht.

Kritisiert wurde auch der Dokumentationsraum im Kunsthaus, der dem Publikum den historischen Kontext vermitteln soll. Historikerinnen und Experten werfen der präsentierten Dokumentation Beschönigungen und Auslassungen vor.

Beharren auf Positionen

An der heutigen Medienkonferenz wiederholten Kunsthaus und Stiftung Bührle ihre Positionen und wiesen Vorwürfe als «pauschal» zurück. «Wir sind den Fakten verpflichtet. Wir zeigen im Dokumentationsraum, wie es war», verteidigt Kunsthaus-Direktor Christoph Becker die Kontextualisierung.

Was das heisst, zeigen Details: Im Dokumentationsraum steht zum Beispiel, dass die jüdische Familie Ullstein 1941 Deutschland «verliess». Tatsächlich musste sie vor den Verfolgungen des NS-Regimes flüchten. Genaue Formulierungen, die Ereignisse benennen, sind hier entscheidend. Ob, wann und an welchen Stellen der Dokumentationsraum überarbeitet wird, wurde nicht angekündigt.

Auch die Stiftung Bührle beharrte auf ihrer Position. Direktor Lukas Gloor verteidigte seine Provenienzforschung und erklärte deren Grundlagen. In einer Art Nachhilfestunde ermahnte er die versammelten Journalistinnen und Journalisten, dass Geduld und Aufmerksamkeit für das Verständnis von Provenienzforschung unerlässlich seien.

Mann spricht auf einem Podium
Legende: Lukas Gloor bei der gemeinsamen Pressekonferenz des Kunsthauses Zürich und der Stiftung Bührle. KEYSTONE / Michael Buholzer

Es gibt eine Kommission - vielleicht

Einzig Conrad Ulrich, Interimspräsident der Zürcher Kunstgesellschaft, sagte, man habe die öffentliche Kritik wahrgenommen. In der Folge bestätigte Ulrich eine Meldung des «Sonntags-Blick» und kündigte an, die Leihverträge zwischen Kunsthaus und Stiftung Bührle würden im Januar 2022 ganz oder teilweise öffentlich gemacht. Welche Teile transparent gemacht werden, ist unklar.

Ulrich informierte auch über Gespräche der Kunstgesellschaft mit Stadt und Kanton Zürich über eine unabhängige Expertenkommission. Doch auch deren Besetzung und Aufgabe wurden nicht genauer erläutert.

Die Worte bleiben dieselben

Gewissheit liefert die Medienkonferenz nur in einem Punkt: Die Bührle-Stiftung will den Begriff «NS-verfolgungsbedingter Entzug» nicht verwenden, er treffe auf die Schweiz nicht zu, so Lukas Gloor, Direktor der Bührle-Stiftung.

Für den Provenienzforscher des Kunsthauses Zürich, Joachim Sieber, ist es noch zu früh, sich für oder gegen den Begriff zu entscheiden.

Doch genau das ist entscheidend. Damit werden Verteidigungslinien gezogen. Deutschland und andere Staaten betrachten auch Verkäufe als restitutionswürdig und sprechen darum nicht mehr von «NS-Raubkunst».

Die Schweizer Kunstmuseen in Basel und Bern haben nachgezogen und als Schweizer Pioniere entsprechende Lösungen mit den Erben jüdischer Sammlerinnen und Sammler gefunden. In Zürich aber scheinen Lösungen in weiter Ferne. So warten auf Christoph Beckers Nachfolgerin, die designierte Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester, viele Herausforderungen.

Ellinor Landmann

Kulturredaktorin

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Ellinor Landmann studierte Kunstgeschichte an der Uni Bern und arbeitet seit 2003 als Kunstkritikerin und Kulturredaktorin für SRF 2 Kultur. Seit 2013 ist sie für den Bereich Kunst verantwortlich.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 15.12.2021, 17:20

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