Schweizer Grafik-Design ist international bekannt für den «Swiss Style» aus den 1950er- und 60er-Jahren: Schriften ohne Serifen, keine Illustrationen, wenig Farben, dafür grafische Symbole oder Fotos – und alles möglichst asymmetrisch angeordnet.
Laut Robert Lzicar, Professor für Designgeschichte an der Hochschule der Künste Bern, ist dieser Stil auch heute noch, 60 Jahre später, ein Begriff in der Design-Welt: «Tatsächlich hört man in Grafikagenturen immer wieder den Spruch ‹Make it look Swiss›, womit genau diese formal-ästhetischen Kriterien gemeint sind. Aber Schweizer Grafikdesign und auch die Geschichte des Schweizer Grafikdesign sind natürlich viel breiter.»
Neue Erkenntnisse
Robert Lzicar und sein Team wollten mit dem Forschungsprojekt «Swiss Graphic Design Histories» neue Erzählweisen zur Schweizer Grafikgeschichte suchen. Zwölf Forscherinnen und Forscher durchwühlten Archive von Museen, Schulen und Privatpersonen, und führten mit Grafikerin und Grafikern Gespräche. Aus all diesen Erkenntnissen haben sie drei Bücher gemacht, mit Interviews, Essays und viel Bildmaterial – grafisch konzis gestaltet, natürlich.
Eine neue Erkenntnis ist, dass Schweizer Grafik schon lange vor den 1960er-Jahren, nämlich bereits in den 20er-Jahren, im Ausland ein Begriff war.
«Wir sind auf eine Frankfurter Ausstellung im Jahr 1925 gestossen, die schon mit dem Begriff ‹Schweizer Grafik› operiert. Da wurden hauptsächlich Tourismusplakate gezeigt, aber auch Plakate für kulturelle Veranstaltungen», erzählt Forschungsleiter Lzicar.
Ein Beweis dafür, dass die Schweiz schon sehr früh damit angefangen hat, ein Bild von Schweizer Grafikdesign ins Ausland zu exportieren und sich selbst als eine Grafikdesign-Nation darzustellen.
Hodler war auch ein Grafiker
Die Frankfurter Ausstellung macht noch etwas anderes klar: Auch Künstler wurden als Grafiker gesehen. «Da gab's Plakate von Ferdinand Hodler, der jetzt in unserem heutigen Verständnis nicht mehr als Grafiker gelten würde. Damals war er aber auch als Plakatmaler aktiv, vor allem für seine eigenen Ausstellungen», erklärt Robert Lzicar.
Künstler als Grafiker? Kein Wunder, wurde doch der Beruf des Grafikers und der Grafikerin erst spät geboren. Grundlegend dafür waren die gestalterischen Vorkurse der Kunstschulen. Und da machte das Forschungsteam eine Entdeckung. «Das Prinzip des Vorkurses wird heute gerne als eine Erfindung des Bauhaus betrachtet», sagt Lzicar. «Wir haben aber festgestellt: Das gab es schon viel früher – auch in der Schweiz. Es war ein gängiges Prinzip, was dann am Bauhaus übernommen wurde.»
Nicht nur Männer
Doch warum der Plural im Titel «Swiss Graphic Design Histories»? Weil man zum gängigen Narrativ auch weitere hinzufügen wollte, betont der Forschungsprojektleiter. Besonders gefällt das neue Narrativ in Bezug auf die Geschlechterrollen.
«Die Schweizer Grafikdesign Geschichte in der damaligen Geschichtsschreibung ist männlich. Aber wir haben herausgefunden Grafikdesign Praxis war schon sehr früh ein Beruf, der von Frauen ausgeübt worden ist, die aber eben im bisherigen Diskurs zu wenig zu Wort kommen.»
Aussagen wie diese machen die Lektüre lesenswert.