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Thomas Hirschhorn in Vevey «Map of Headlessness»: Das Lob der positiven Kopflosigkeit

Vier Meter breit und ziemlich chaotisch: Das Musée Jenisch in Vevey zeigt eine monumentale Collage von Thomas Hirschhorn.

«Man muss einen Plan haben», sagt Thomas Hirschhorn. Das sei wichtig für seine künstlerische Arbeit. Aber auch für sein Denken.

Denn die Pläne, die «Maps», die Thomas Hirschhorn gemeinsam mit dem deutschen Philosophen Marcus Steinweg gestaltet, sind mehr als reine Arbeitsskizzen. Es sind Landkarten des Geistes, detailreiche Text-Bild-Collagen, die festhalten, was Hirschhorn und Steinweg beschäftigt.

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Die Karte zu Hirschhorns Gedankenwelt
aus Kultur-Aktualität vom 23.01.2019.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 48 Sekunden.

Kopflosigkeit als positiver Begriff

In Vevey ist jetzt eine dieser grossflächigen Karten zu sehen. Das Musée Jenisch hat 2015 die «Map of Headlessness», die Karte der Kopflosigkeit, gekauft. Jetzt stellt das Haus die riesige Collage erstmals aus.

Kopflosigkeit klingt eher nach dem Gegenteil zu planvollem Handeln. Doch Thomas Hirschhorn und Marcus Steinweg sehen das anders.

Auf einer Karte werden philosophische Zusamenhänge mit Pfeilen dargestellt.
Legende: Nietzsche, Foucault und Arendt: Die Karten von Hirschhorn und Steinweg verbinden Philosophie mit Kunst. Thomas Hirschhorn/ Marcus Steinweg / «Map of Nietzsche», 2003/ © 2019, ProLitteris, Zurich

Kopflosigkeit ist für sie ein positiver Begriff. Sie setzen ihn gleich mit Widerständigkeit und Eigenwilligkeit. «Kopflosigkeit heisst, sich nicht ökonomisieren zu lassen», sagt Hirschhorn.

Nichts für Lesemuffel

Die vier mal zweieinhalb Meter grosse «Map of Headlessness» wirkt auf den ersten Blick verwirrend. Dicht an dicht kleben Zeitungsbilder und handgeschriebene Notizen, Porträtbilder und Textauszüge aus Schriften von Goethe und Nietzsche, Georges Bataille und Michel Foucault.

Die Texte sind meist französisch oder englisch. Sie befassen sich mit dem Wesen der Kunst und des Subjekts, mit dem Chaos und der Leere. Für Lesemuffel ist das nichts.

Eine «Map» für Nietzsche oder Arendt

An solchen Karten arbeiten Hirschhorn und Steinweg seit 2003. Die Collagen sind meist bestimmten Themen oder Persönlichkeiten gewidmet, mit denen die beiden sich intensiv befassen.

So gibt es zum Beispiel eine «Nietzsche-Map» und eine «Hannah Arendt-Map» oder eine Karte der Freundschaft zwischen der Philosophie und der Kunst.

Ein Ausschnitt aus einem Buch, in dem Hirschhorns Karten gezeigt werden
Legende: Mut und Hoffnung: Die Karte der Freundschaft zwischen Kunst und Philosophie. Thomas Hirschhorn/ Marcus Steinweg/ «The Map of Friendship between Art and Philosophy», 2007/ © 2019, ProLitteris, Zurich

Überraschend ist dabei die Entstehungsweise: Künstler und Philosoph arbeiten zusammen, allerdings ohne Diskussionen. Diese brauche es nicht: «Ich bin mit allem einverstanden, was Marcus macht und er ist mit allem einverstanden, was ich mache. Wir arbeiten in vollkommenem Einverständnis», sagt Hirschhorn.

Studiert man die «Map of Headlessness» ausgiebig, findet man vieles von dem, was Hirschhorn interessiert und inspiriert. Zum Beispiel kleine, handgeschriebene Notizen, warum er so gern mit Silberfolie arbeitet: weil sie wertvoll aussieht und gleichzeitig alltäglich und prekär ist.

Wer also Zeit mitbringt, kann tief eintauchen in den Hirschhorn-Kosmos.

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