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Kunst und Botanik – Die Schätze des Josef Hanel
Aus Kultur-Aktualität vom 10.04.2019.
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Vergessener Bilderschatz Virtuos: Diese Bilder sind von Hand koloriert

Mit wissenschaftlicher Präzision und feinstem Pinsel kolorierte ein bisher unbekannter Künstler Pflanzen auf Glasdias.

Alles begann mit einer wunderlichen Entdeckung: Vor einigen Jahren stiess Christiane Jacquat, Kuratorin im Botanischen Museum der Universität Zürich, im Museumskeller auf Holzschachteln mit über 200 Glasdias.

Als sie die 8 x 10 Zentimeter kleinen Lichtbilder genauer inspizierte, geriet sie ins Staunen: Die ursprünglichen schwarzweissen Bilder waren von einem «I.H.» von Hand koloriert worden.

Farn im Wald
Legende: Wenn Wissenschaft und Kunst Hand in Hand gehen, kann Grossartiges entstehen: Farne im Wald, von Josef Hanel eingefangen. Josef Hanel / © Botanisches Museum der Universität Zürich

Jacquat sah, dass der unbekannte I.H. Farbnuancen, Schattierungen und den Lichteinfall virtuos und mit künstlerischer Begabung auf die Platten hingezaubert hatte. Die Bilder waren berührend schön.

Für Jacquat begann eine abenteuerliche Recherchearbeit, die sie schliesslich zu Josef Hanel führte. Hanel kam 1865 im damaligen Sudetenland auf die Welt. Seine Berufskarriere begann er als Dekorationsmaler. Später spezialisierte er sich auf die Herstellung farbiger Lichtbilder zu Lehrzwecken.

Überlebenswichtige Pilzbilder

Einen wichtigen Auftrag erhielt Hanel 1915 von Hans Schnegg, Professor für Landwirtschaft. Schnegg wollte die Hungersnot während und nach dem Ersten Weltkrieg lindern, indem er den Leuten riet, proteinreiche Pilze zu sammeln und zu essen. Gute Bilder waren dabei überlebenswichtig. Hanel lieferte für die Pilzbücher erstklassige Arbeit.

Pilze
Legende: Honiggelber Hallimasch: Hanels Pilzbilder hatten auch einen praktischen Nutzen. Josef Hanel / © Botanisches Museum der Universität Zürich

Zwischen 1915 bis zu seinem Tod 1940 entwickelte Hanel eine beeindruckende Handfertigkeit. Das Fotografieren und Kolorieren hat er autodidaktisch gelernt, vermutet Christiane Jacquat.

Pinsel aus Marderhaar

Seine Fotografien von Blütenpflanzen, Farnen, Flechten und Pilzen waren präzis und darum für Wissenschaftler interessant. In den Kolorierungen bewies Hanel geradezu Exzellenz.

Seerosen
Legende: Die Ausstellung im Museo Vela und ein Buch geben Einblick in einen Teil des Werkes, das neu entdeckt wurde. Josef Hanel / © Botanisches Museum der Universität Zürich

Mit der einen Hand hielt er die Lupe, mit der anderen führte er den feinen Marderhaarpinsel auf den kleinen Glasplatten und malte feinste Staubblätter und zarte Flugschirme des Löwenzahns.

Für 1.80 Reichsmark das Stück verkaufte er seine Bilder. Umgerechnet wären das heute rund 8 Franken. Hanels Lichtbilder eigneten sich für grosse Projektionen besser als gewöhnliche Farbbilder, die im frühen 20. Jahrhundert bereits aufgekommen waren. Heute zeugen seine Pflanzenfotografien von einem alten Handwerk – und gleichzeitig sind seine kolorierten Glasdias kleine Kunstwerke.

Buchhinweis

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Legende: Josef Hanel / © Botanisches Museum der Universität Zürich

Christiane Jacquat: «Pflanzenbilder des ‹I.H.› Eine rätselhafte Sammlung handkolorierter Glasdiapositive». AT Verlag, 2019.

Ausstellungshinweis

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Legende: Josef Hanel / © Botanisches Museum der Universität Zürich

Die Bilder von Josef Hanel werden zusammen mit Werken der Künstlerin Gabriela Maria Müller bis 11. August 2019 in der Ausstellung «In-flore-scientia. Arte e botanica» im Museo Vincenzo Vela in Ligornetto ganz im Süden des Tessins gezeigt.

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