Wie viele Nächte haben Sie während der Vorbereitungen durchgefeiert? Jochen Eisenbrand lächelt. «Ich habe mir natürlich erträumt, dass ich die Nächte in Clubs verbringen würde», sagt der Kurator des Vitra Design Museums. Doch dem war nicht so.
Vor ihm und seinem Team lag ein nahezu unbearbeitetes Feld. Für Museen sei das Thema Clubkultur bisher noch kein Thema gewesen, trotz Popularität. Doch das Phänomen ist flüchtig, schwierig zu greifen. Wie also kann man Clubkultur zeigen?
Vergangenes Nachtleben
Jochen Eisenbrand und sein Team sind in die Archive gestiegen, haben wissenschaftliche Bücher gewälzt, Interviews mit wichtigen Akteuren aus der Clubszene geführt. Der Anspruch war, das Thema Clubkultur von den 60er-Jahren bis heute möglichst breit aufzurollen.
Chronologisch und sinnlich präsentieren sich nun die Ergebnisse der Recherche in der Ausstellung. Sowohl Designliebhaber wie auch an Geschichte Interessierte kommen auf ihre Kosten: Zahlreiche Audio- und Videodokumente, Poster und Designobjekte entführen in die Vergangenheit und die Welt des Nachtlebens.
Das gezeigte Material ist reichhaltig und stammt aus den verschiedenen Gestaltungsdisziplinen, denn Clubkultur umfasst sowohl Innenarchitektur, Design, Mode, Musik.
Für die Pioniere der Kunstszene wurden die Clubs zu wichtigen Orten, wie zum Beispiel im New Yorker Club «The Electric Circus». Dort versammelten sich verschiedene bekannte Künstler, darunter auch der französische Illustrator Tomi Ungerer, der eine Plakatserie für den Club entworfen hat.
Clubkultur umfasst Innenarchitektur, Design, Mode, Musik.
Kreative Frei-Räume
Vor allem bot der Club auch einen Raum, um Neues auszuprobieren. Entstanden sei etwa eine «frühe Art von Videokunst», so Jochen Eisenbrand. Zum Einsatz kamen Overheadprojektoren, auf die farbige Emulsionen getropft und mittels Glasplatten bewegt wurden, erzählt der Kurator. So erschienen bewegliche Muster an den Wänden.
Der DJ definiert sich heute nicht mehr als Dienstleister, sondern als Künstler.
In den 70er-Jahren professionalisierte sich das Ton- und Lichtdesign. Und auch der DJ galt nicht mehr nur als Dienstleister, sondern trat als eigenständiger Künstler in den Vordergrund. Larry Levan etwa, einer der DJ-Grössen dieser Zeit, werde heute noch gefeiert, so Jochen Eisenbrand.
New York war ein wichtiger Hotspot für die Clubkultur. Aber auch die europäische Clubgeschichte wird in der Ausstellung beleuchtet, Berlin etwa: Nach der Wende war die Stadt die Hochburg des Technos. Einer der international bekannten Clubs war der «Tresor», der sich im Keller des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses eingenistet hatte.
Was Clubs bieten, ist ein kollektives sinnliches Erlebnis mit Musik und Licht.
Und heute? Im 21. Jahrhundert kommt der Club zunehmend in die Krise, stellt Jochen Eisenbrand fest. Ein Problem seien die hohen Mieten in den Innenstädten. Andererseits hätten die Städte erkannt, dass das Nachtleben ein Wirtschaftsfaktor sei. «Städte wie Berlin, London, New York, Amsterdam haben sogenannte Bürgermeister der Nacht engagiert, die sich um die Belange der Clubbetreiber kümmern.»
Prognosen, wie sich die Clubkultur entwickelt, seien schwierig. Das Phänomen wandle sich schnell. Jochen Eisenbrand glaubt aber an die Magie des Clubs. «Was Clubs bieten, ist ein kollektives sinnliches Erlebnis mit Musik und Licht.» Das habe man im Wohnzimmer nicht.