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Wegen Internet-Trollen Marina Abramović wehrt sich gegen Satanisten-Anschuldigungen

Marina Abramović erhält seit Jahren Todesdrohungen. Doch jetzt hat die kontroverse Performance-Künstlerin genug und richtet sich direkt an ihre Kritiker.

«Könnt ihr damit aufhören? Könnt ihr aufhören, mich zu belästigen?» Mit diesen Worten wandte sich Marina Abramović in einem Interview mit der New York Times an ihre Kritiker. «Ich bin Künstlerin, keine Satanistin», fügte die 73-jährige Starperformerin hinzu und erklärte, sie müsse endlich ihr Herz öffnen.

Schuld ist ein Video von Microsoft

Grund für diesen ergreifenden Appell sind ein Video, das Microsoft im April auf Youtube stellte und die bösartigen Reaktionen darauf. In dem Video spricht Abramović über eines ihrer Werke und schwärmt vom wunderbaren Potenzial der virtuellen Realität, die «Holo Lens 2», eine Kopfgarnitur mit Brille von Microsoft dafür eröffnet.

Ein simpler Werbespot für den Softwaregiganten also. Nur wurde dieser Spot prompt mit Abertausenden von Dislikes bombardiert – worauf Microsoft das Video ebenso prompt verschwinden liess.

Marina Abramović ist sich Angriffe eigentlich gewohnt. Schliesslich hat sie die Provokation zu ihrer Karriere gemacht.

Sie liess Fremde ihren nackten Körper mit gefährlichen Gegenständen traktieren, sie schrubbte an einer Biennale in Venedig einen Berg blutiger Knochen und spielt immer wieder gerne mit Feuer, buchstäblich und im übertragenen Sinn.

Eine Frau sitzt auf einem Stuhl in einem roten Raum. Auf ihrem Schoss ist ein menschliches Skelett.
Legende: Marina Abramovic hat die Provokation zu ihrer Karriere gemacht. Anlässlich der Ausstellung «Do Czysta / The Cleanner» in Toruń, Polen, lässt sie ein Skelett schrubben. imago images / Eastnews

Verhängnisvolle Koch-Performance

Dass sich aber hauptsächlich rechte Kreise auf sie eingeschworen haben und sie bezichtigen, in einem Pakt mit dem Teufel stehen, geht auf ein bestimmtes Ereignis zurück: 2016 veranstaltete die Künstlerin unter dem Motto «Spirit Cooking» («Geisterkochen») ein Abendessen für eine Gruppe von Mäzenen. Darunter John Podesta, damals der Vorsitzende von Hillary Clintons Präsidentschaftskampagne.

Das Motto des Diners bezog sich auf eine Serie von Performances aus den 1990er-Jahren, in denen Abramović mit Blut Unsinnssprüche an die Wand einer Galerie geschrieben hatte. Podesta wiederum war, unabhängig von kochenden Geistern, zuvor ebenfalls von rechten Kreisen beschuldigt worden, aus dem Keller einer Pizzeria einen Kinderhandelsring zu betreiben. Die Verschwörungstheoretiker kombinierten kurzerhand beides und machten aus der Peformerin die Anführerin eines satanischen Kultes, der Kinderopfer darbringt.

Dass Frau Abramović an jenem Abend einfach nur kochte und zwar völlig blutlos, und dass John Podesta die Einladung ausgeschlagen hatte und deshalb nicht einmal dabei war, interessierte die Denunzianten natürlich nicht.

Täglich Todesdrohungen

Seither erhält Marina Abramović täglich Todesdrohungen. Das geht ihr offenbar nicht mehr nur auf, sondern auch an die Nerven. Daher das öffentliche Herzausschütten via New York Times. Die Trolle ihrerseits sind beglückt über das rasche Einknicken von Microsoft und mehr noch über den Beweis ihrer Macht.

Immerhin haben diese und ähnliche Kontroversen der Künstlerin bisher beruflich nicht geschadet. Eine Version des Werkes, auf das sich der gewesene Microsoft-Spot bezog, soll im Herbst bei Christie’s versteigert werden. Schätzpreis 700'000 Dollar.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 4.5.2020, 7.20 Uhr

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