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Kunst Wolfgang Beltracchi - der Meisterfälscher mit Kunstkonzept

Es ist der wohl grösste Kunstskandal unserer Zeit, und Wolfgang Beltracchi vielleicht der grösste Fälscher aller Zeiten. Er verbüsst seine Strafe im offenen Vollzug, seine Frau ist wieder frei. Gemeinsam haben sie eine Biografie geschrieben: «Selbstporträt». Ein Besuch beim Gauner-Paar im Atelier.

Der Freigänger Wolfgang Beltracchi fährt jeden Tag in sein Atelier und trifft dort seine Frau Helene. Jeden Abend geht es wieder zurück in seine Zelle – Tag für Tag. Beltracchi sitzt noch immer seine Strafe ab: 2011 wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er jahrelang Meisterwerke fälschte und mit seiner Frau und weiteren Helfern in den Kunstmarkt schleuste. Über 200 millionenschwere Gemälde sollen es gewesen sein, unter die er die Signaturen von u.a. Max Pechstein, Franz Marc oder Max Ernst setzte.

Heute malt der Meisterfälscher wieder in seinem Atelier in der Nähe von Köln; aber eigene, weniger spektakuläre und wertvolle Werke. Da stellt sich einmal mehr die Frage: Ist der begnadete Fälscher ein Künstler oder nicht? Für Beltracchi ist die Antwort klar: «Den Begriff Fälscher ziehe ich mir nur an für die Signatur. Die Signatur war gefälscht. Der Rest nicht. Der Rest ist mein Bild. Signaturen fälschen kann jeder.»

Ein kriminelles Kunstkonzept

Denn er habe nicht einfach kopiert, sondern sich in den Maler und seine Zeit hineingedacht. Werke hinzuerfunden, quasi Lücken in ihrem Œu­v­re gefüllt. «Mein Kunstkonzept stand immer fest. Das habe ich abgearbeitet, verfeinert, verbessert», erzählt der 63-jährige Beltracchi, der heute wieder inmitten bunter Farben und Bilder sitzt. «Es war auch kriminell, aber es war trotzdem ein Konzept. Eines, das wenige jemals gemacht haben.»

Beltracchi sieht sich klar als Künstler, und er ist enttäuscht, dass seine einst als Originale gefeierten Gemälde nun kleingeredet werden: «Unsere Bilder wurden teilweise hochgelobt für ihre Ausstrahlung, ihre Aura. Und jetzt, wo klar ist, es ist eine Fälschung, sagen die Leute, es ist ganz schlecht. Ja, wo ist denn die Aura? Die Aura hat sich mit dem Geld verkrümelt.»

Ein Leben für den Kunstmarkt

Nahaufnahme von Helene Beltracchi.
Legende: Sie schleuste die Fälschungen ihres Mannes in den Kunstmarkt: Helene Beltracchi. Keystone

Und jetzt? «Eigentlich sind wir ja von allem befreit, haben nicht mehr die Last irgendwas zu verheimlichen», sagt Helene Beltracchi. «Wir haben zwei Leben geführt, das normale Familienleben, ein relativ durchschnittliches, bürgerliches Leben. Und dann gab es natürlich unser zweites Leben.» Das richtete sich nach dem Kunstmarkt. Und der will Originalität. Der Betrachter sucht das Hier und Jetzt des Originals, denn das gilt als Ausweis von Echtheit. Diese geheimnisvolle Aura ist vermutlich der empfindlichste Kern des Kunstwerks.

Wie viele Werke berühmter Maler von Wolfgang Beltracchi stammen, das wissen nur er und seine Frau. Im Prozess 2012 Jahren ging es um gerade einmal 14 Gemälde. «Ich hätte auch 1000 Bilder malen können oder noch mehr, aber ich habe so ungefähr 100 Maler gemacht aus vier Jahrhunderten», so Wolfgang Beltracchi.

«Alles nur aus Spass»

Wie der Kunstmarkt funktioniert, wissen die Beltracchis vermutlich so gut wie kaum ein anderer. Wie hoch der Schaden durch die Beltracchi-Fälschungen ist, weiss indes niemand genau zu beziffern. Kunsthandel ist ein sehr diskretes Geschäft, und bei spektakulären Enthüllungen gibt es nur Verlierer. In den Büchern der Beltracchis erfährt man dazu wenig.

Künstler und Fälscher oder nicht – es ist eigentlich ganz einfach: «Ich hab es nur aus Spass gemacht», sagt Wolfgang Beltracchi. «Es war mir wichtig, mein Leben zu führen und Spass zu haben – ein schönes Leben mit viel Spass. Das haben wir gemacht.»

Ernsthafte Gedanken über Millionenschäden für Sammler oder Museen scheinen sich die beiden Beltracchis nicht zu machen. Selbstzufrieden sitzen sie nebeneinander im Atelier, und sonnen sich in ihrem – wenn auch zwielichtigen – Ansehen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei 3sat.de, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen.

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