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20 Jahre Literaturhaus Zürich Wie Lesen zum gemeinsamen Erlebnis wurde

Seit 20 Jahren finden im Literaturhaus Zürich Lesungen statt. Immer öfter auch begleitet von Musik und Kunst.

Im Literaturhaus Zürich ist Lesen nicht Privatsache, sondern eine gesellige Angelegenheit, über die man sich offen austauscht. Seit 20 Jahren finden im altehrwürdigen Gebäude der Museumsgesellschaft am Zürcher Limmatquai Lesungen und Diskussionen über Literatur statt. 1999 war das Literaturhaus Zürich das erste Literaturhaus der Schweiz. Seitdem sind einige weitere dazugekommen.

Im Vergleich zu Bibliotheken und Lesesälen haben Literaturhäuser eine eher junge Geschichte. In Deutschland wurde das erste Literaturhaus 1986 in Berlin gegründet, in den 1990er-Jahren zogen diverse deutsche, österreichische und Schweizer Städte nach.

Tatsächlich ist die Lesung eine sehr deutsche Form der Literaturvermittlung, die es in anderen Ländern in dieser Form selten gibt. Einen Raum zu finden, in dem man Geschichten lauschen und gemeinsam über das vorgelesene diskutieren kann, war damals offenbar ein noch unbefriedigtes Bedürfnis.

Eine Frau steht mit dem Mikrofon auf der Bühne, vor ihr ist ein Publikum zu sehen.
Legende: Literaturhaus-Leiterin Gesa Schneider begrüsst das Publikum. Zeljko Gataric

Die Lesung als Marketing

Zwar gab es auch vor den 1990er-Jahren schon Lesungen, aber mit den Literaturhäusern haben sich Lesungen als Geschäft institutionalisiert. Das hat auch finanzielle Gründe.

Denn für Verleger und Autoren haben sich Auftritte und Lesungen in einer Zeit schwindender Absätze zu einer Verdienstmöglichkeit entwickelt, die die Einnahmen aus Buchverkäufen bisweilen auch übersteigen kann. Die meisten Literaturhäuser wiederum finanzieren sich neben den Eintritten vor allem über Stiftungsgelder und Subventionen von Kanton oder Stadt.

Heute gibt es in der Schweiz sieben Literaturhäuser. Das jüngste öffnete diesen März seine Pforten: Die Casa della Letteratura in Lugano. Sie ist zugleich auch das erste Literaturhaus im Tessin und Verbindungsort zwischen den italienisch geprägten Regionen, Tessin, Graubünden und Wallis sein, sagt Präsident Fabiano Alborghetti.

Ort des kulturellen Austauschs

Die Casa della Letteratura zeigt, dass Literaturhäuser nicht nur Orte der Literaturvermittlung sind, sondern auch Orte des sprachlichen und kulturellen Austauschs. Auch das Veranstaltungsformat der Lesung hat sich verändert und erweitert. Der Trend geht eindeutig zur Inszenierung.

Immer öfters wird Literatur mit anderen Disziplinen in Dialog gebracht. Lesungen werden von Musikern begleitet oder von Künstlern in Bilder übersetzt und man entdeckt neue Orte: Science Fiction in der Sternwarte oder die Märchenlesung nachts im Wald. Und das alles um ein besonderes Literaturerlebnis zu bieten und um die Bilder und die Atmosphäre einer Geschichte möglichst gut zu transportieren.

Neue Einsichten und Gespräche über Literatur

Für Gesa Schneider, die Leiterin des Literaturhauses Zürich hat der Erfolg der Literaturhäuser neben diesen zusätzlichen Inszenierungen und Szenografien schlicht auch mit der Inspiration für neue Gedanken zu tun, die das kollektive Lesen ermöglicht: «Häufig betrachtet eine Autorin, ein Autor die Welt ja mit einem besonderen Blick. Und erst in der Lesung und im Gespräch entstehen dann wieder Gedanken, Assoziationen, die man selbst beim Lesen des Buchs selbst nicht hätte.»

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