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«Alyeska» von Gerold Späth Erst reicht er uns den Whisky, dann wirft er uns ins kalte Wasser

Abgründig und unheimlich: Ein neuer Band versammelt acht Geschichten des Schweizer Autors Gerold Späth.

Geschichten von Gerold Späth beginnen oft gemütlich. Eine Whisky- oder Rotwein-Stimmung kommt auf. Die Gemütlichkeit hält allerdings nicht lange an.

Plötzlich kippen die Geschichten ins Unheimliche und Abgründige. Späth zeigt auf, wie dünn der Boden der Zivilisation ist. Wobei die Boden-Metapher eigentlich falsch ist. Denn in der Erzählwelt von Gerold Späth ist Wasser das zentrale Element.

Unter der Oberfläche

Das fällt auch in dem neuen Geschichtenband auf, der vor Kurzem zum 80. Geburtstag des Dichters erschienen ist. Das Buch heisst «Alyeska» und versammelt acht Geschichten aus verschiedenen Werkphasen.

Gerold Späth

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Gerold Späth wurde 1939 in eine Orgelbauerdynastie in Rapperswil hineingeboren. Bis 1975 arbeitete er im Familienbetrieb, 1970 erschien sein Debütroman «Unschlecht». Seither hat er unzählige Romane, Erzählungen, Hörspiele und Theaterstücke verfasst – viele davon tragen sich in Rapperswil zu: «Rapperswil ist der Raum, in dem meine Geschichten wohnen, hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich die Übersicht und die Durchsicht», so Späth. Späth wohnt heute nicht nur in Rapperswil, sondern auch in Irland und Italien.

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In der Titelgeschichte «Alyeska», die in den letzten Jahren entstanden ist, fährt ein Fischer in seinem dünnwandigen Boot aufs Meer hinaus, sieht erst die leuchtende Bläue, dann die ungeheure Tiefe, und er muss sich unweigerlich vorstellen, was unter ihm wohl «alles abläuft», und schon läuft es ihm kalt über den Rücken. So ergeht es uns auch beim Lesen dieser und manch anderer Geschichte von Gerold Späth.

Drängend aktuelle Parabel

Die Erzählung «Eis und Wasser» handelt eigentlich in der Vergangenheit, in einer Zeit, als aus dem Eis des Klöntalersees noch Eisbarren gehauen und in die Luxushotels am Zürichsee transportiert wurden. In der Geschichte überladen die Transporteure aus Profitgier ihr Schiff. Als ein Gewitter aufzieht, kentert es beinahe.

Auch das Eis im Schiff schmilzt. Die Schiffer stehen im kalten Wasser. Eine Geschichte, die Gerold Späth bereits 1999 geschrieben hat, die sich heute aber wie eine drängend aktuelle Parabel auf den spürbaren Klimawandel liest.

Unbändige Erzähllust

Späths unbändige Erzähllust lässt sich in dem Erzählband «Alyeska» einmal mehr bewundern. Seine goldene Zeit begann vor rund 50 Jahren. Gleich mit seinem ersten Roman «Unschlecht» katapultierte er sich in die vorderste Reihe der Schweizer Literatur. Selbst die «Times» sprach von einem «Meisterwerk».

In den folgenden Jahren legte Späth nach. Er wurde als neuer Rabelais gefeiert und mit Günter Grass verglichen, der dann sein Förderer und Freund wurde.

Das Lob von Mozart

Unvergesslich ist auch Gerold Späths Werk «Commedia», das sein Kollege Wolfgang Hildesheimer als «pandämonisches Welttheater» rühmte. Hildesheimer, Autor einer grossartigen Mozart-Biografie, war es auch, der Späth einst auf eine schöne Familiengeschichte aufmerksam gemacht hat.

Denn Späth kommt aus einer Orgelbauerdynastie, die früher auch Klaviere herstellte. Und Mozart schrieb 1777 seinem Vater, dass ihm die «Spättischen Claviere die liebsten» seien.

Auf dem Wasser oder beim Orgelspiel: Gerold Späths Prosa ist von einer Wucht und Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht.

Buchhinweis

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Gerold Späth: «Alyeska», Acht Geschichten, Lenos Verlag 2019

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