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Autorin von «Minihorror» Barbi Marković setzt nette Leute dem Schrecken aus

Barbi Marković geht neue literarische Wege – und wird dafür wahrgenommen und honoriert; ihr Buch «Minihorror» gewann zuletzt den Preis der Leipziger Buchmesse. Ein Besuch bei der serbisch-österreichischen Schriftstellerin in Wien.

Ich treffe Barbi Markovic in ihrem Schreibatelier auf der äusseren Seite des Wiener Gürtels. Ein grosser, ruhiger Raum im obersten Stockwerk eines Bürogebäudes, hell und mit unverstelltem Blick über die Stadt.

Schon als Kind habe sie gerne Geschichten erzählt, sagt Barbi Marković zu Beginn unseres Gesprächs. Die Schriftstellerin kommt gleich auf die tieferliegende Bedeutung des Erzählens zu sprechen: Es sei die Rache der kleinen und unbedeutenden Leute, ihre Geschichten so zu erzählen, wie sie sie erzählen wollen.

Die Autorin mit Brille und schwarzem Rollkragenpullover hält ihr Buch «Minihorror» in die Kamera.
Legende: Mit ihrem Kurzgeschichtenband «Minihorror» konnte Barbi Marković die Jury überzeugen – und gewann den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie «Belletristik». IMAGO / CHROMORANGE

Barbi Marković stammt aus Belgrad. Deutsch lernt sie in der Schule. Später studiert sie Germanistik und kommt deswegen auch nach Wien, wo sie hängenbleibt. Zuerst schreibt sie auf Serbisch, dann auf Deutsch.

«Die verschissene Zeit» aus dem Jahr 2021 ist ihr erstes deutsches Buch: Ein Roman über Jugendliche in Belgrad während des Jugoslawienkrieges. Mit «Minihorror» folgte das Zweite.

Comicfigur trifft auf Worst-Case-Szenario

Beim Schreiben interessiere sie in erster Linie die Form, sagt Barbi Marković. Sie brauche eine formale Herausforderung, um wirklich schreiben zu können. Bei «Minihorror» war es die Idee, zwei bekannte Comicfiguren zu nehmen und diese in Horrorgeschichten zu schmeissen.

Nett sollen ihre Figuren ebenfalls sein, denn Barbi Marković sehe es als ihre Aufgabe an, den netten Leuten mehr Platz in der Literatur zu geben.

Und so erleben Mini und Miki 27 Horrorgeschichten. Kleine, alltägliche Situationen, die immer am schlimmstmöglichen Punkt enden. Zum Beispiel, wenn Mini und Miki einen Freund an der Bar treffen, der nicht müde wird zu erzählen, wie gut es ihm geht.

Bis er vor lauter aufgesetzter Begeisterung auseinanderfällt. Wörtlich. Oder Minis Geschichte beim Friseur, der ihr die Haare blond färbt, bis nicht nur die Haare völlig ruiniert sind, sondern gleich auch die Kopfhaut.

Horrorstorys, die der Alltag schreibt

Dabei verfolgt Barbi Marković auch das System, die Dinge wörtlich zu nehmen. Wenn man zum Beispiel sagt, vor dem Computer laufen einem die Augen aus, so laufen Mini vor dem Computer tatsächlich die Augen aus. Wenn man sagt, die Familie versuche einen in ein tiefes Loch zu stürzen, so passiert das tatsächlich im Garten zu Hause bei Minis Familie.

Dass die eine Geschichte in der Katastrophe endet und die nächste wieder bei null beginnt, als sei nichts geschehen, gehört ebenfalls zum comichaften Stil des Buches. Und ist einer der Gründe, warum Barbi Marković für «Minihorror» den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten hat.

«Die verschissene Zeit» ergänzt «Minihorror»

Dann ist das Gespräch vorbei. Ich verlasse das Schreibatelier und überquere den Wiener Gürtel Richtung Innenstadt. Dort betrete ich ein Büchergeschäft und kaufe mir spontan und als Ergänzung zu «Minihorror» auch noch «Die Verschissene Zeit». Und freue mich jetzt schon aufs erneute Lesen dieser aufregenden neuen literarischen Stimme, die ich eben kennengelernt habe.

Buchhinweis

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Barbi Marković: «Minihorror». Residenz Verlag, 2023.

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