«Ich bin keine gute mündliche Erzählerin», sagte Brigitte Kronauer 2010 in einem Gespräch. Aber schriftlich konnte sie erzählen. So gut, dass sie mit einigen der wichtigsten Literaturpreise ausgezeichnet wurde. Unter anderem mit dem Büchner-Preis.
Bis ins kleinste Detail
«Ihre Bücher sind ein Fest der Sprache und der Beschreibung», sagt SRF-Literaturredaktorin Franziska Hirsbrunner. «Wie diese Endlosbilder, die früher für die Werbung mit der Hand gemalt wurden: Das Mädchen mit dem Gugelhupf auf dem Schoss, mit dem Backpulvertütchen in der Hand. Auf dem Backpulvertütchen das Mädchen mit dem Gugelhupf auf dem Schoss, und so weiter.»
Liebe zu Alltagsbeobachtungen
Brigitte Kronauer wurde 1940 in Essen geboren. Bereits als Kind hegte sie den Wunsch, Schriftstellerin zu werden und schrieb als Jugendliche Geschichten und Hörspiele.
Für Kronauer war das Schreiben aber nicht nur Ausdruck einer Leidenschaft. Sie verarbeitet darin ihren Blick auf die Welt und ihr eigenes Leben. So auch in ihrem ersten Roman «Frau Mühlenbeck im Gehäus» von 1980.
Ihre Mutter sei eine begnadete Geschichtenerzählerin gewesen, genau wie Frau Mühlenbeck, die Protagonistin im Roman, sagte die Schriftstellerin im Interview. Sie selbst sah sich in der Figur der Ich-Erzählerin, die den Eindrücken des Lebens ausgeliefert war und keine Lehren daraus ziehen konnte.
Literatur als ständiger Clinch
Jeder Mensch müsse etwas tun mit seinen Wahrnehmungen, fand Kronauer und schrieb Romane, elf an der Zahl. Sie liebte Alltagsbeobachtungen. Der Umgang mit Wirklichkeit war ihr grosses Thema. Damit überraschte sie immer wieder, in jedem ihrer Bücher.
«Für mich ist Literatur im Grunde genommen ein ständiger Clinch zwischen der Wirklichkeit und den Vorstellungen, die man über die Wirklichkeit im Kopf hat», sagte sie in einem Interview.
Eine selbstbewusste Stimme
2005 erhielt Brigitte Kronauer den Georg-Büchner-Preis, die renommierteste Literaturauszeichnung, die Autoren im deutschsprachigen Raum erhalten können.
Sie hatte Humor und etwas Bodenständiges, auch wenn die Obsession mit der Wahrnehmung abgehoben anmutet. Ihre Bücher sind es nicht. Sie sind kunstvoll und verspielt. Sie schielen nicht nach der grossen Leinwand, sondern schauen sich im Alltäglichen um.
Die Schriftstellerin ist nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren verstorben. Mit Brigitte Kronauer verliert die Literaturwelt eine selbstbewusste Stimme, die etwas zu sagen hatte, aber nie aufdringlich wurde.
Sendung: Radio SRF 2, Kultur aktuell, 23.7.2019, 17:20 Uhr