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Comic von Mathieu Sapin Diese Comic-Reportage lässt das politische Parkett glänzen

Erfrischend und witzig: Mathieu Sapins neue Comic-Reportage führt in die Vorzimmer von Emmanuel Macrons Regierung.

Es war eine fulminante Reportage, mit der der französische Comic-Autor Mathieu Sapin vor einigen Jahren für Furore sorgte: Sein Comic-Band «Gérard. Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu» gewährte intime Einblicke in die exzessive Persönlichkeit von Frankreichs Nationalschauspieler.

Seine neuste Graphic Novel «Comédie française. Reisen ins Vorzimmer der Macht» hat einen nicht weniger prominenten Protagonisten: den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Tänzer auf dem politischen Parkett

Mathieu Sapin tummelt sich seit Jahren immer wieder auf dem politischen Parkett: So schilderte er 2012 den Wahlkampf des früheren französischen Präsidenten François Hollande. Später beobachtete er zwei Jahre lang das Geschehen im Elysée-Palast – direkt vor Ort.

Im Fokus von Sapins Interesse stand dabei weniger die Politik selbst als vielmehr die Mechanismen der Macht, die er jeweils mit viel Humor sezierte. Dabei gratwanderte er geschickt zwischen nüchterner Beobachtung und Satire, Kritik und Reflexion, Karikatur und Hofzeichnerei.

Buchhinweis

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Mathieu Sapin: «Comédie Française – Reisen ins Vorzimmer der Macht». Reprodukt, 2021.

«Comédie française» ist kein politischer Comic, sondern ein Comic über die Politik und die im Untertitel angesprochenen «Vorzimmer der Macht». Nicht die Regierungsarbeit von Präsident Macron steht im Mittelpunkt, sondern Sapin selbst: als Beobachter und Berichterstatter in unmittelbarer Nähe zur Macht, und die Frage, was diese Nähe mit ihm anstellt.

Kurz nach der Präsidentschaftswahl sucht Sapin Emmanuel Macrons Nähe, weil er einen Comic über den Präsidenten als Menschen zeichnen möchte. Aber auch Macron hat, wie Sapin bald feststellt, ein Interesse an einer Beziehung zu ihm: Der Präsident möchte – und das ist der köstliche Running Gag dieses Buchs – dass Sapin ihn Gérard Depardieu vorstellt.

Szene aus einem Comic
Legende: Racine revisited: «Comédie française» ist auch ein Blick in die Geschichtsbücher. Mathieu Sapin/Reprodukt

Der Sonnenkönig und sein Biograf

So richtig interessant wird «Comédie française» durch eine Verbindung der Gegenwart mit der Vergangenheit, des Elysée-Palasts mit dem Schloss von Versailles.

Während seiner Recherchen stösst Sapin auf ein historisches Vorbild: Jean Racine, der klassische Dramatiker des 17. Jahrhunderts, schwor mit 36 Jahren, auf dem Höhepunkt seines Ruhms, dem Theater ab, um ganz in seiner Rolle als Höfling, Biograf und Propagandist des Sonnenkönigs Louis XIV. aufzugehen. Dieser biografische Bruch in Racines Leben ist ein Rätsel – Sapin möchte es knacken.

Geschickt und mit viel Selbstironie hüpft Sapin zwischen dem 17. und dem 21. Jahrhundert und verknüpft seine Bemühungen, in Macrons Umlaufbahn zu bleiben und seine Unabhängigkeit zu bewahren, mit Racines Leben und Wirken.

Daraus entsteht eine verblüffende Reflexion über die Macht und ihren Hofstaat, über Machtspiele und Intrigen, über ihre Beziehungen zu den Medien. Nicht zuletzt reflektiert Sapin die Neigung französischer Herrscher, sich mit Künstlern zu umgeben und umgekehrt die Verführungskraft der Macht auf die Künstler.

Szene aus einem Comic
Legende: Auch oft selbst im Bild: Comic-Autor Mathieu Sapin, hier beim Händeschütteln mit Emmanuel Macron. Mathieu Sapin/Reprodukt

Der Präsident und seine Entourage

Sapins ursprüngliches Vorhaben scheitert: Macrons Beraterinnen finden die Idee eines Comics über Macron als Person zu heikel. Weiter als bis in die «Vorzimmer der Macht» kommt Sapin diesmal nicht, Macron wird als Mensch für ihn nie wirklich greifbar.

Doch Sapin hält sich lange genug in diesen Vorzimmern auf, um in seiner Reportage dank seiner träfen Beobachtungen zu vermitteln, wie der französische Präsident und seine Entourage ticken – und wie letztlich seine Politik entsteht.

Die Lektüre von «Comédie française» ist aufschlussreich, erfrischend und witzig. Das liegt nicht zuletzt an Sapins sympathischer Selbstironie. Meistens ist er das erste Opfer seiner satirischen Betrachtungen. Auch zeichnerisch: Emmanuel Macron ist bekanntlich nicht sehr gross gewachsen – Sapins Karikatur seiner selbst ist aber noch einen guten Kopf kleiner.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 10.5.2021, 17:10 Uhr

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