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Literatur Das Leben in einem Garten

Eine zarte, schlanke Frau, stets in weiss gekleidet und selten zu sehen, das war Emiliy Dickinson zu Lebzeiten. Eine der wichtigsten Lyrikerinnen der englischen Literatur, das ist sie heute.

«Dickinson Homestead», eine von Bäumen beschattete, klassizistische Villa mit grossen Umschwung an der Main Street von Amherst im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts war der Schauplatz ihres Lebens. Dort wurde Emily Dickinson 1830 geboren. Dort starb sie 1886 und wurde nach ihrem letzten Willen über die blühenden Wiesen des Anwesens zum Friedhof gebracht.

Leben in der eigenen Welt

Der Garten von Emily Dickinson, nachempfunden vom Botanischen Garten in New York.
Legende: Der Garten von Emily Dickinson, nachempfunden vom Botanischen Garten in New York. Keystone

Ihre grosse Liebe und Aufmerksamkeit galt der Gartenlandschaft. Diese taucht in ihrem literarischen Werk ähnlich prominent auf wie einige Jahrzehnte später Claude Monets Garten von Giverny in den impressionistischen Werken des Malers. Emily verliess ihr Zuhause kaum. Selbst in ihrer damals von 2500 auf 4000 Einwohner anwachsenden Heimatstadt liess sie sich nur selten blicken. Einzig der Schulbesuch in der «Amherst Academy» und im «Mount Holyoke Female Seminary» erweiterte ihren Lebensraum.

Brief als Draht nach draussen

Buchhinweis

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Emily Dickinson: Gedichte. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Gunhild Kübler. Fischer Taschenbuch Verlag 2011.

Dennoch war sie nicht eigenbrötlerisch. Sie entstammte einer angesehenen Familie. Der Grossvater, der den Sitz 1813 erbaut hatte, war Begründer des «Amherst College» gewesen, der Vater Rechtsanwalt und Kongressabgeordneter. So war ihr der kultivierte Gedankenaustausch mit anderen Menschen vertraut. Sie bevorzugte allerdings die schriftliche Form. Und obwohl nach ihrem Tod ein grosser Teil ihrer Korrespondenz verbrannt wurde, blieben dennoch Briefe an etwa neunzig Adressaten erhalten.

Schöpferin von weltliterarischem Rang

Von ihrem 20. Altersjahr an begann sie, Gedichte zu schreiben, auf Briefpapier, das sie selber zu Heften zusammennähte, später auch auf einzelne Blätter, Briefumschläge und Reklamezettel. Nach der Dickinson-Übersetzerin Gunhild Kübler kommt die jüngste Zählung auf einen Bestand von 1789 Gedichten. Rund ein Drittel davon hat die Dichterin Briefen beigelegt und so ihren Werken je eine Leserin oder einen Leser vermittelt. Veröffentlicht wurden zu ihren Lebzeiten gerade Mal zehn Gedichte. Erst die allmähliche, durch Querelen unter den Erben und Erbinnen verzögerte, postume Herausgabe des Werkes brachte der Welt ins Bewusstsein, wer Emily Dickinson war: Die Schöpferin eines Werkes von weltliterarischem Rang, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts bereits die moderne Lyrik vorwegnahm.

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