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Literatur Der Berner Autor Michael Fehr entdeckt sich als Sänger

Was andere Autoren vermeiden, kultiviert Michael Fehr: Helvetismen und Dialektausdrücke. Für eine Hörspiel-Produktion von SRF hat der Dichter, Spoken-Word-Performer und Berner Barde unveröffentlichte Texte zur Verfügung gestellt – und gleich noch gesanglich mitgewirkt. Eine Entstehungsgeschichte.

Zum ersten Mal erlebt habe ich Michael Fehr bei einer Lesung der «Buch Basel» 2013 und war nicht nur von seinem Text voller dialektaler Poesie, sondern auch von seiner Vortragsweise sehr beeindruckt. Bei einem gemeinsamen Bier danach sprach ich ihn auf die Möglichkeit an, gemeinsam eine Hörspielproduktion zu erarbeiten. Fehr schickte mir darauf eine Auswahl von mehrheitlich noch unveröffentlichten Texten. Ich durfte frei auswählen, was ich mit Vergnügen tat.

Hörspiel-Studie
Legende: Michael Fehr (l.) und die Hörspiel-Crew von «Babel und die Studentin und ein Rebhuhn auseinandernehmen». SRF

«Wie das immer wuselt, dass es einen gruselt»

Bei unserem Gespräch über meine Auswahl erzählte ich ihm, was ich als SRF-Hausregisseur vorhatte: Drei Texte sollten durch ihre stilistisch je ganz andere Umsetzung und durch ein je eigenes Ensemble wirken wie ganz verschiedene, bunte Bilderbogen aus einem Album. Ganz unterschiedlich sind nämlich auch die Stoffe: In «Babel» erzählt der Autor die biblische Turmbaugeschichte ganz neu, stellt die Baustelle als totalen Arbeitsplatz dar: «Wie das immer wuselt, dass es einen gruselt», und führt uns den von ferne betrachtenden, stolzen Architekten in Mussolini-Pose vor, mit verschränkten Armen, «das Kinn wie auch … der Rest der Fresse … gen Himmel gereckt». Fehr lässt den Turm einstürzen, und zelebriert das ganz grosse Scheitern. Ich erzählte ihm von meiner Idee eines Sprechensembles aus Rappern und Slam-Poeten und einem an den Hip-Hop angelehnten musikalischen Soundtrack. Er liess es sich gefallen.

«Bis klepft und dätscht»

In «Die Studentin» sinniert eine junge Frau mitten in ihrem auch erotisch sehr munteren Leben («bis es klepft und dätscht») über ihre Zukunft, über Hochzeit, Ehe, Kinder, wirtschaftlichen Erfolg («bis klepft und dätscht») und landet in ihrer Fantasie zwangsläufig zu Witwenstand und Greisentum in der bröckelnden Luxusvilla. Zu dieser Textvorlage sollten nach meiner Vorstellung drei Slampoetinnen eingeladen werden und ein Perkussionist, der sich u.a. auch auf Bodydrumming spezialisiert hatte, also seinen eigenen Körper als Instrument einsetzen kann, «bis es klepft und dätscht». Auch das liess er sich gefallen.

Der Blues tritt die Türe ein

Der dritte Text meiner Wahl ist eine ziemlich präzise Anleitung mit dem alles sagenden Titel «Ein Rebhuhn auseinandernehmen». Als ich Michael Fehr davon zu erzählen begann, unterbrach er mich und sagte: Diesen Text übernehme ich». Der Autor wollte die Umsetzung nicht aus der Hand geben, sich ein eigenes Ensemble zusammenstellen und selber Regie führen. Das liess ich mir gefallen. Zum Glück.

Denn seit seiner Lesung der «Buch Basel» 2013 war im Leben des Autors etwas geschehen. Bei einem Auftritt zusammen mit dem Boulez-Schüler, Komponisten und Pianisten Simon Ho präsentierte er Text und Musik zusammen. «Von da an hatte ich wohl das Gefühl, dass es eine Tür gibt. Dezember 2013 hat mir dann der Blues, welcher mir auch ein Heiler und Dao (Weg) geworden ist, die Tür eingetreten, und ich hatte die Empfindung, nicht kontinuierlich, aber seither wiederkehrend, dass ich drin bin und einen Grund habe», erzählt Fehr. Einen Grund hat er allerdings: Seine Stimme, die mit ihrem rauen Timbre tatsächlich an James Brown oder Ray Charles erinnert.

Ein strenger Regisseur

So kam Michael Fehr mit dem Bassisten Severin Barmettler, dem Gitarristen Jonas Zahnd (alias Jones) und der Sprecherin und Sängerin Elisabeth Caesar ins Basler Hörspielstudio, präsentierte eine schon angelegte musikalische Nummer mit dem Text, der auf dichterische Weise in das Schlachten von Geflügel einführt. Und da hatte nicht nur das Rebhuhn den Blues, sondern nach einem ganzen Tag Aufnahmen bis zum fünfzehnten, perfekten Durchgang auch die Musiker. Denn eines wollte Michael Fehr partout nicht: Fehlern und Schwachstellen ausweichende Schnitte von einer Aufnahme in die andere, wie sie in der Hörspielarbeit üblich sind. Ein in jeder Hinsicht perfekter Durchgang sollte es sein.

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Michael Fehr ist auf der Literaturplattform ansichten.srf.ch vertreten.

Spiegelt sich in den Ambitionen des Babelturm-Architekten der Ehrgeiz des Autors wieder? So fordernd Michael Fehr sich selbst und den anderen gegenüber war, so überzeugend ist das Resultat geworden. Von Scheitern kann keine Rede sein. Da hört man Zukunftsmusik.

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