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«Der Wald»: Zürcher Comiczeichner Thomas Ott legt neues Werk vor
Aus Kultur-Aktualität vom 08.11.2021. Bild: © Thomas Ott/Carlsen Verlag, Hamburg 2021
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«Der Wald» von Thomas Ott Ein Ausflug zwischen Wald und Tod

Der erste Comic des Zürcher Kultautors Thomas Ott nach zwölf Jahren handelt von der Trauer eines Kindes – und überrascht.

Thomas Ott ist einer der wenigen Deutschschweizer Comiczeichner, der auch international grosse Erfolge feiert. Für seine düsteren, wortlosen Geschichten aus gesellschaftlichen Rand- und Schattenzonen wird er weltweit geradezu kultisch verehrt.

Nun legt der 55-Jährige nach zwölf Jahren mit «Der Wald» endlich eine neue eigenständige Buchpublikation vor. Allerdings weicht er darin deutlich von seinem bisherigen Werk ab.

Schwarzweisse Comiczeichnung: Ein trauriger Junge sitzt an einer Beerdigung auf einem Sofa neben einer weinenden Frau
Legende: Nicht nur die Zeichnungen sind düster: Thomas Ott eröffnet sein Buch «Der Wald» gleich auf der ersten Seite mit einer Beerdigungsfeier. © Thomas Ott/Carlsen Verlag, Hamburg 2021

Eher Bilderbuch als Comic

«Der Wald» ist nämlich eher Bilderbuch als Comic. In 25 ganzseitigen Bildern schildert der Zeichner eine Ballade um Tod, Trauer, Abschied und die Rückkehr ins Leben.

Inspiriert durch eine persönliche Erfahrung schlägt er dabei eine ungewohnte Saite an. Bisher war er nämlich vor allem für seine schwarze Atmosphäre und sein virtuoses Spiel mit Klischees der populären Kulturen bekannt.

Preisgekrönter Comiczeichner und Illustrator

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Thomas Ott an der Wiener Buchmesse 2019
Legende: Thomas Ott an der Wiener Buchmesse 2019 © Bwag/Commons

Thomas Otts Comics erscheinen in zahlreichen Ländern, etwa Frankreich, Argentinien, den USA, der Türkei oder Russland. Auch seine Illustrationen werden weltweit in
Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht.

1996 wurde Ott am Comic-Salon Erlangen zum besten deutschsprachigen Zeichner gekürt. 2017 erhielt er zudem den Schweizer Grand Prix Design für sein Lebenswerk.

«Der Wald» dagegen ist zutiefst emotional. Das Werk nimmt die Leserschaft auf die innere Reise eines kleinen Jungen mit, der seinen geliebten Grossvater verloren hat. Weil sich das Kind an der Trauerfeier langweilt, flüchtet es in den nahen Wald.

Auf einem schmalen Pfad streift der Junge immer tiefer in den dichten, dunklen Forst. Dabei überwindet er Hindernisse wie Baumstrünke und Gräben und begegnet mysteriösen, bisweilen verstörenden oder bedrohlichen Gestalten, Menschen und Dingen.

Schwarzweisse Comiczeichnung: Kleiner Junge läuft durch dunklen Wald
Legende: Nicht immer zeigt sich der Wald so ungefährlich wie hier zu Beginn des Buches. © Thomas Ott/Carlsen Verlag, Hamburg 2021

Rätselhafte Symbolsprache

Die Reise des Kindes ist vor allem eine symbolische. Allerdings entzieht sich Otts Symbolsprache einfachen Erklärungen. Egal, ob ein undefinierbares Pelzwesen den Jungen erschreckt, oder ob er über Totenschädel stolpert.

Diese Vieldeutigkeit vermag zu überzeugen. Dank ihr schafft es Ott, die Intimität des Trauerprozesses sowie der Beziehung zwischen Opa und Enkel zu bewahren. Gerade weil die Geschichte sehr persönlich bleibt, zeugt sie von einer universalen Erfahrung.

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Aus dem Archiv: Besuch bei Thomas Ott 1995 in Paris
Aus NeXt vom 08.10.1995.
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Die Magie der Geschichte liegt dabei in ihren Bildern begründet. Deren Ruhe sowie das grosszügige Format ziehen tief in den finsteren Forst. Dieser wirkt so lebendig, dass man das Rauschen der Blätter zu hören glaubt. Zugleich spiegelt er die Innenwelt des trauernden Jungen.

Schwarzweisse Comiczeichnung: Kleiner Junge umarmt seinen Grossvater im Wald
Legende: Thomas Otts Zeichnungen lassen unterschiedliche Deutungen zu. So bleibt unklar, wie real die Begegnung des Jungen mit dem verstorbenen Grossvater ist. © Thomas Ott/Carlsen Verlag, Hamburg 2021

Märchenhafte Zeichentechnik

Otts Schabkartontechnik passt ideal zur Atmosphäre der Geschichte: Er zeichnet seine Bilder nicht mit einer Feder auf weisses Papier, sondern kratzt sie mit dem Japanmesser aus einem speziellen, schwarzen Karton. Ästhetisch erinnern die Bilder an Radierungen, und damit auch an alte Märchenillustrationen.

Vordergründig mag «Der Wald» eine schlichte Geschichte sein. Der virtuose Bilderreigen lädt jedoch nicht nur zum Eintauchen und Verweilen in dieser Zwischenwelt ein. Er verleiht der Handlung auch eine ungeahnte emotionale Tiefe.

Buchhinweis

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Thomas Ott: «Der Wald». Carlsen Verlag, 2021.

Radio SRF 2, Kultur Aktualität, 15.11.2021, 08:10 Uhr

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