Zum Inhalt springen

Header

Audio
Von Corona-Hilfen profitierten auch rechtsextreme Buchprojekte
Aus Kultur-Aktualität vom 26.04.2023. Bild: KEYSTONE/DPA/Jan Woitas
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 54 Sekunden.
Inhalt

Deutsches Förderprogramm Hilfsgelder für rechtsextreme Bücher: Wie konnte das passieren?

Die deutsche Regierung hat mit Corona-Geldern auch Buchprojekte gefördert, die aus der rechtsextremen Szene kommen. Einblick in eine Recherche.

Worum geht’s? Während der Corona-Pandemie brachte die deutsche Bundesregierung das Hilfsprogramm «Neustart Kultur» auf den Weg. Insgesamt wurden rund zwei Milliarden Euro locker gemacht, um der Kulturbranche zu helfen. Rund 94 Millionen flossen in den Buchmarkt, um Verlage und Buchprojekte während der Pandemie finanziell zu unterstützen. Eine investigative Recherche des Deutschlandfunks bringt nun Erschreckendes an den Tag: Von den Fördergeldern sollen auch rechtsextreme Projekte profitiert haben.

Wie konnte das passieren? Bei der Bewerbung auf die Fördergelder mussten die Antragstellenden lediglich durch ein Häkchen im Online-Formular bestätigen, dass sie keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Inhalte produzieren. «Das war eine lasche Kontrolle. Es ist fast überraschend, dass nicht mehr passiert ist», sagt der Journalist Fabian Dietrich, der an der Recherche beteiligt war.

Es hätte auffallen müssen, dass auch problematische Projekte Zugang zu den Geldern bekommen.
Autor: Fabian Dietrich

Zudem waren die Förderungskriterien sehr vage formuliert. Sogar Bücher, die nur in einer Auflage von 20 Stück erschienen sind, seien gefördert worden. «Da wurde alles durchgewunken», so der Redaktor. Eine qualitative Prüfung der Antragstellenden habe nicht ordentlich stattgefunden.

Wieso konnte man die Hilfsgelder so einfach beantragen? Ziel der Verantwortlichen war es, einen möglichst einfachen Zugang zu den Geldern zu gewährleisten. Man wollte möglichst schnell und breit fördern. Aber: «Für die Administration des Hilfsprogramms wurde sogar neues Personal eingestellt – es hätte also auffallen müssen, dass auch problematische Projekte Zugang zu den Geldern bekommen», sagt Dietrich.

Welche problematischen Bücher haben von dem Geld profitiert? Der Deutschlandfunk nennt in seiner Recherche beispielsweise Martin Wageners Buch «Kulturkampf um das Volk», das mit 7500 Euro gefördert worden sei. Nach Berichten des Rundfunks Berlin-Brandenburg werde das Buch vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Teilen als extremistisch eingestuft – Wagener selbst bestreitet das.

Wöchentlich frischer Lesestoff im Literatur-Newsletter

Box aufklappen Box zuklappen

Der Literatur-Newsletter bietet die perfekte Inspiration für das nächste Buch. Ausserdem wird jede Woche eine Schweizer Schriftstellerin oder ein Schweizer Schriftsteller in den Fokus gerückt. Newsletter jetzt abonnieren.

Unter den geförderten Projekten finden sich zudem zwei Bücher aus dem Forsite-Verlag, für den Dennis Krüger verantwortlich ist. Dieser schrieb auch für «N. S. Heute» und ist Herausgeber der Zeitschrift «Reconquista». Beide Publikationen werden vom Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen als rechtsextrem eingestuft. 

Wie reagieren die Verantwortlichen? Die aktuelle deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat dem Deutschen Börsenverein, der die Gelder verteilt hat, empfohlen, diese zum Teil zurückzufordern. In einer Pressekonferenz hat der Deutsche Börsenverein angekündigt, dies tun zu wollen.

Monika Grütters spricht zu zwie Männern.
Legende: Die Vorgängerin der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Monika Grütters (im Bild) hat das Hilfsprogramm «Neustart Kultur» damals initiiert. IMAGO / Stefan Zeitz

Der Börsenverein hat das Recht, ausbezahlte Gelder zurückzufordern. Dafür muss jedoch ein klarer Verstoss gegen die Förderungsrichtlinien vorliegen. «Ich bin skeptisch, ob das funktioniert, weil die Kriterien so vage formuliert waren», sagt Dietrich.

Welche Lehren kann man aus dem Fall ziehen? Das Prinzip Giesskanne – also das Verteilen von Geld ohne Kriterien – habe nicht funktioniert, so Dietrich. Das Schweizer Modell könnte ein Vorbild sein. «Ich hoffe, dass wir ein ähnliches Instrument bekommen wie die Schweiz – nämlich eine dauerhafte Verlagsförderung», sagt der Redaktor. Diese müsse an klare Kriterien geknüpft sein und es müssten qualitative Kontrolle der Förderprojekte stattfinden.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 26.04.2023, 17:20 Uhr;

Meistgelesene Artikel