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Deutsches Gesetz zu E-Books Schneller E-Book-Verleih: Chance oder Untergang für die Branche?

Dürfen brandneue Bücher in Deutschland sofort digital verliehen werden? Die Buchbranche schreit auf.

Nicht alle, die ein neues Buch lesen, tun dies noch immer in der klassischen Form – als bedrucktes Papier zwischen zwei Deckeln. Das E-Book legt zu. Allein im letzten halben Jahr ist der Umsatz von sechs auf acht Prozent gestiegen.

Eine führende Rolle spielen dabei Bibliotheken. Sie bauen ihr digitales Buchangebot kontinuierlich aus. Jedes zweite E-Book, das jemand liest, kommt heute aus einer Bibliothek. Bei brandaktuellen Titeln müssen sich Bibliotheksbenutzerinen und -benutzer allerdings oft lange gedulden.

Eine Katastrophe per Gesetz?

Viele Verlage haben in Verträgen mit Bibliotheken festgelegt, dass Neuerscheinungen oft erst Monate nach Erscheinen des gedruckten Buches bibliothekarisch ausgeliehen werden dürfen. Die Verlage profitieren so von den Margen, die bei herkömmlichen Büchern deutlich höher sind als bei E-Books.

Ein neues Gesetz in Deutschland soll das ändern: Danach dürften die Verlage die E-Book-Varianten nicht mehr gegenüber Bibliotheken zurückhalten.

Gerade bei den hochrentablen Bestsellern wäre das eine Katastrophe, sagt Felicitas von Lovenberg, Verlegerin des Deutschen Piper Verlags. Denn mit ihnen würden die Verlage den Grossteil ihres Geldes erwirtschaften.

«Die Bestseller, die auch die anderen Bücher querfinanzieren, würde man praktisch ab Erscheinen für wenige Cents lesen können. Das wäre sowohl für die Urheber der Bücher, für die Autorinnen, Autoren sowie für die Verlage ein grosser Verlust – und natürlich auch für den Buchhandel.»

Verlieren auch Schweizer Buchmacher?

Mit dem neuen Gesetz könnten Leserinnen und Leser durch die kleine Gebühr, die sie für die Benutzung einer Bibliothek bezahlen, praktisch kostenfrei an Bestseller herankommen.

Wir reden von einem Verlust für die Buchmacher in dreistelliger Millionenhöhe.
Autor: Felicitas von Lovenberg Verlegerin des Piper Verlags

Das würde sich nicht nur auf den deutschen Buchmarkt katastrophal auswirken, sondern auch auf den eng mit ihm verknüpften Schweizer Markt. «Wir reden von einem Verlust für die Buchmacher in dreistelliger Millionenhöhe.»

Felicitas von Lovenberg ist Mitunterzeichnerinnen des offenen Briefs, der die Politik auffordert, vom Gesetz abzusehen, welches in die gängige Praxis eingreifen würde. Das neue Gesetz würde die Existenzgrundlage vieler Autorinnen und Autoren zerstören, schreiben die rund 200 Unterzeichnenden des offenen Briefs – unter ihnen sind so klingende Namen wie Juli Zeh, Daniel Kehlmann, Benedict Wells oder Judith Hermann.

Bibliotheken – freier Zugang zu allen Medien

Er verfolge die Auseinandersetzung in Deutschland mit Interesse, sagt Hans Ulrich Locher, Geschäftsführer von Bibliosuisse, dem Verband der Schweizer Bibliotheken. Für die Verfasser des Offenen Briefs habe er allerdings wenig Verständnis, sagt er.

«Der Grundauftrag der Bibliotheken ist, den freien Zugang zu Information zu ermöglichen und das in Bezug auf alle Medien. Das betrifft Bücher, das betrifft E-Books. Und von daher ist es unser Interesse, dass wir alle Medien, die auf dem Markt sind, in den Bibliotheken anbieten können.»

Die Zukunft wartet nicht

Die Digitalisierung, so Hans-Ulrich Locher, sei nicht aufzuhalten, und sie biete Verlagen grosse Chancen. «Ich glaube nicht, dass das die Verlage bedroht oder gefährdet sind. Im Gegenteil wäre es ein zusätzlicher Vertriebskanal mit Möglichkeiten, Geld zu verdienen.»

Anders gesagt: Dem E-Book gehört die Zukunft. Aktueller Streit um die Zwangszulassung für Bibliotheken hin oder her.

Ich glaube nicht, dass das die Verlage bedroht oder gefährdet sind. Es wäre ein zusätzlicher Vertriebskanal mit Möglichkeiten, Geld zu verdienen.
Autor: Hans Ulrich Locher Geschäftsführer Biblio Suisse

Antwort gesucht

Vermutlich wird kein Weg darum herumführen, dass die Preise für digitale Bücher steigen, wollen Verlage marktfähig bleiben.

Auf der anderen Seite ist die Politik gefordert, eine Antwort zu finden auf die Frage, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen es Verlagen, Autorinnen und Autoren in der digitalen Welt ermöglichen, ihren unbestritten wichtigen kulturellen Auftrag auch in Zukunft wahrzunehmen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 20.10.2021, 8:15 Uhr

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