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Die Kunst des Übersetzens «Literatur als Schreibtischgeburt interessiert mich nicht»

Viktoria Dimitrova Popova übersetzt aus dem Bulgarischen ins Deutsche. Als erste Übersetzerin erhielt sie den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis in der Sparte Literatur.

Ein kleines Café am Zürcher Predigerplatz. Es ist mehr Wohnzimmer als Lokal. Die Atmosphäre ist familiär, an den Holztischen kennen sich alle. Viktoria Dimitrova Popova sitzt hier gerne. Oft sei sie auch vis-à-vis in der Zentralbibliothek anzutreffen. «Ich lese wahnsinnig viel», sagt sie lachend.

Viktoria Dimitrova Popova lebt und arbeitet in Zürich und empfängt den Besucher im reinsten lokalen Idiom. Sie ist 1992 als Elfjährige aus Bulgarien in die Schweiz gekommen.

Man merkt gleich: Sie gehört zum Quartier, und das Quartier gehört zu ihr. Einzig ihre Übersetzungsarbeit verrichtet sie dann weder in der Bibliothek und noch im Café, sondern in Ruhe am Schreibtisch.

Das Selbst in den Büchern der anderen

Allzu weltfern und ruhig soll es aber auch da nicht werden. «Literatur als Schreibtischgeburt interessiert mich nicht», sagt sie dezidiert. Viktoria Dimitrova Popova übersetzt aus dem Bulgarischen und gibt im Zürcher Verlag «Ink Press» die Bulgarische Reihe heraus.

 Viktoria Dimitrova Popova sitzt auf einem weissen Stuhl.
Legende: Sprache ist für sie vor allem auch ein körperlicher Akt: Viktoria Dimitrova Popova, hier im Travel Book Shop in Zürich. Schweizer Buchjahr / Selina Widmer

Ihr Wirken geht über die reine Übersetzungsarbeit hinaus. Sie will vermitteln, bulgarische Literatur bekannt machen. Und sie geht noch weiter: Sie erzähle eigentlich ihre eigene Geschichte durch die Übersetzungen, sagt Viktoria Dimitrova Popova. Sie suche sich immer Texte aus, die sie biografisch treffen.

Das Zusammenspiel zwischen Sprachen

Popova versucht nicht, die eine Sprache in der andern nachzubilden. Sie interessiere der Weg von einer literarischen Sprache zur andern. Von einer erfundenen Sprache in die andere. Nicht das perfekte Deutsch strebe sie an, spannend sei vielmehr, «was zwischen den Sprachen passiert».

Das habe auch einen stark physiologischen Aspekt, betont sie: die Körperlichkeit der Sprachen, die unterschiedliche Lautbildung. «Manchmal kann ich die Laute aus einer Sprache gar nicht mehr bilden mit meinem Mund. Die Beziehung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ist mir sehr wichtig, weil das für mich stark mit dem Körper zu tun hat», sagt sie. «Mich interessiert eine Literatur, die Impulse und Regungen auslöst – Handlungsimpulse, Bewegungsimpulse.»

Sprache als Performance

Das Performative der Sprache: Man könnte von einem Theater der Sprache reden. Viktoria Dimitrova Popova versucht die Sprache im Sprechakt zu begreifen und dann in ihrer eigenen Sprache mit zu performen – in einer Sprache, die sie gleichzeitig aus dem Original bezieht und neu erfindet.

Sie hat Erfahrungen im Theaterbetrieb: «Das Spannende war, dass ich zu Beginn dachte, ich würde im Sprechtheater landen und aufblühen. Ich bin dann aber sehr schnell bei der Tanzperformance angekommen.»

Die Körperlichkeit der Sprache, der Sprechakt als performativer Akt, Literatur als Performance, das ist ein wiederkehrendes Thema in unserem kurzen Gespräch am Kaffeetisch – der geradezu körperliche Austausch zwischen zwei Sprachen.

«Ich habe zwei Lebens- und Körpersprachen in mir», betont Popova zum Schluss, «einen Überschuss an Identitäten, den ich nach aussen wenden muss, indem ich diese Sprachen wirklich ganz genau anschaue.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 06.02.2019, 17.20 Uhr.

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