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«Eine, die unerwünscht ist» Ken Bugul träumt von einem Afrika, in dem Frauen das Sagen haben

Kolonialherren, Missionare, korrupte Politiker, machoide Beamte: Vor allem Männer hätten Afrika heruntergewirtschaftet, sagt die senegalesische Schriftstellerin Ken Bugul. Sie ist zur Zeit in Zürich zu Gast.

« Es ist unumstösslich», sagt Ken Bugul: «In 10, 20 oder 100 Jahren werden die Frauen die Macht übernehmen.»

«Man wird sie ihnen aber nicht freiwillig geben. Wir werden sie an uns reissen», fügt sie hinzu und lacht.

Das Matriarchat wurde verdrängt

Dabei hat Ken Bugul in unserem Gespräch gerade wortreich beschrieben, dass es schon heute die Frauen sind, die in vielen Gesellschaften Afrikas das Sagen haben.

Ken Bugul trägt ein weisses Kopftuch, steht am Meer und blickt in die Ferne.
Legende: Die Schriftstellerin Ken Bugul im Dok-Film «Personne n'en veut». Trigon Film

Es sind Frauen, die das Überleben der Familien sichern, in den Dörfern wie in den gigantischen Städten des Kontinents. Und das ist nicht verwunderlich, meint die 1947 im Senegal geborene Schriftstellerin.

Viele Kulturen Afrikas waren matriarchal strukturiert, bevor diese Gesellschaften zerstört wurden. Zuerst durch den Islam. «Er brachte den Kult um den Mann als höheres Wesen», erläutert Ken Bugul.

Zur Person

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Dann durch den Sklavenhandel, danach die Kolonisierung. «Mit den Kolonialherren kamen die Missionare, die Afrika christianisieren wollten. Die katholische Kirche war das totale Gegenteil der früheren matriarchalen Gesellschaft. Sie setzte durch, dass die Frau zuhause bleibt, dem Mann gehorcht.»

Geboren in einer Kolonie

Ken Bugul kennt die Auswirkungen dieser Entwicklung. Ihre Biografie ist ein Stück Zeitgeschichte des frankophonen Afrikas. Geboren wird sie in einem Dorf im kolonialen Senegal, der Vater verheiratet mit mehreren Frauen.

Früh wird sie von ihrer Mutter verlassen, darf als einziges Mädchen der Grossfamilie aufs Gymnasium, wo nach französischem Bildungsideal erzogen wird. Aus den Schulbüchern lächeln blonde Mädchen in weissen Kleidchen.

Film über Ken Bugul

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Eine Frau in afrikanischer Kleidung sitzt mit Händen vor dem Gesicht auf sandigem Boden.
Legende: Trigon Film

Die Schweizer Filmerin Silvia Voser hat der Autorin 2015 einen Dok-Film gewidmet: «Ken Bugul – Personne n'en veut». Trailer und Daten von Vorführungen in Anwesenheit von Ken Bugul gibt es auf der Webseite des Filmverleihs.

Zum exotischen Objekt degradiert

Mariètou Mbaye Biléoma, wie Ken Bugul eigentlich heisst, ist begabt. Sie bekommt ein Stipendium, mit dem sie in Belgien studieren kann: Kommunikation und Betriebswirtschaft. Und – sie erfährt den Zwiespalt zwischen den Welten.

Erlebt, wie es ist, Afrikanerin in einer europäischen Stadt zu sein: Den Blicken ständig ausgesetzt, zum exotischen Objekt degradiert. Persönliche Krisen und Abstürze folgen.

Eine, die unerwünscht ist

All das beschreibt sie in ihrem ersten autobiografischen Buch «Le Baobab fou» so direkt und drastisch, dass ihr Verleger ihr dazu rät, den Text nur unter Pseudonym zu veröffentlichen. Denn über all die Erfahrungen, die sie beschreibt, über Drogen, über Sexualität hätten Frauen zu schweigen.

Mariètou entscheidet sich für «Ken Bugul» als Pseudonym, was so viel bedeutet wie: eine, die unerwünscht ist.

1986 beginnt sie für die NGO «International Planned Parenthood Federation» zu arbeiten, reist durch 30 afrikanische Länder und begegnet Elend, Hunger und Armut.

Und den Konsequenzen der restriktiven Geldpolitik, die der Internationale Währungsfonds und die Weltbank afrikanischen Ländern gegenüber durchsetzen: ökonomische Krisen und Arbeitslosigkeit.

«Frauen waren nicht mehr zu bändigen»

Buchhinweis

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Ken Bugul: «Die Nacht des Baobab», Unionsverlag 2016.

Verwaltungen wurden verschlankt, Regierungen mussten Beamte entlassen. «Die Männer mit ihren Krawatten und Aktenkoffern, die gab's nicht mehr», so beschreibt Ken Bugul diesen enormen Einschnitt.

«Ab dem Moment mussten sich die Frauen um das Überleben der Familien kümmern. Sie mussten raus aus dem Haus, reisen, handeln, Essen besorgen. Sie waren befreit. Es entwickelte sich eine Dynamik, und ab diesem Moment waren die Frauen nicht mehr zu bändigen.»

Seither hat sich die Rolle der Frau geändert, sie studieren, heiraten später, tragen dann die Hauptlast für die Familien, übernehmen Verantwortung, gründen Kooperativen und Netzwerke. Ob im Kunsthandwerk oder in der Fischerei-Industrie: die wesentlichen Impulse gehen von Frauen aus.

Frauen in Afrika

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Die US-Autorin Imbolo Mbue ist in Kamerun aufgewachsen – und schreibt über ihre Migration.
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Männer mit Krawatten

Doch das allein wird Afrika nicht retten. Ken Bugul fordert, dass mehr Frauen auch auf Regierungsebene und in internationalen Organisationen ihre Erfahrungen in konkrete Entwicklungsprojekte einbringen. Doch da sitzen immer noch die Männer mit ihren Krawatten und den schwarzen Aktenkoffern.

«Und die werden nicht von sich aus sagen: ‹Ja, wir haben versagt, wir haben die Welt kaputt gemacht. Vielleicht sollten wir besser den Frauen die Macht überlassen.› Nein, nein, nein, wir müssen uns die Macht nehmen.»

Und dann lacht sie wieder.

Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 20.9.17, 22.25 Uhr

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