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Literatur «Er ist wieder da» - Hitler, eine Witzfigur?

Lachen über Hitler hat eine lange Tradition: von Charlie Chaplins «Der Grosse Diktator», über Walter Moers «Adolf – Der Bonker» bis hin zum aktuellen Bestseller «Er ist wieder da» von Timur Vermes. Hitler verkauft sich gut, auch wenn die künstlerische Darstellung nicht überzeugt. Warum eigentlich?

Wenn Autoren und Comedians mal nichts einfällt, gibt es einen Joker, der immer sticht: Hitler. So führt der Führer durch Sommerloch und Kabarett-Flaute. Wir arbeiten uns ab am Alptraum der Geschichte, Tabu für Tabu, und amüsieren uns köstlich.

Lachen über Hitler hat Tradition

Charlie Chaplin, verkleidet als Adolf Hitler, steht vor Mikrofonen und streckt mit strenger Mine die Faust in die Luft.
Legende: Charlie Chaplin als «grosser Diktator». United Artists

Das hat eine lange Tradition und den Anfang macht Charly Chaplins «Der Grosse Diktator»: Das Lachen über Hitler ist auch ein Mittel psychologischer Kriegsführung. Dennoch erscheinen die Verbrechen von Chaplins Diktator fast harmlos.

 «Hätte ich von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte (...) mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können», schrieb Chaplin später in seiner Autobiographie. Nach 1945 kommt das ganze Ausmass des Völkermords ans Licht - und das Lachen über den Diktator verstummt.

Audio
Ausschnitt aus Walter Moers «Der Bonker»
00:45 min
abspielen. Laufzeit 45 Sekunden.

Es dauert lange bis auch die Deutschen über den Diktator wieder lachen können, wie in dem Comic und Musikvideo «Adolf – Der Bonker» von Walter Moers. Auch die Filmkomödie «Mein Führer», vom Schweizer Regisseur Daniel Levy, erntet nicht nur beifälliges Lachen.

Medienschelte aus dem Munde Hitlers

Buchhinweis

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Timur Vermes: «Er ist wieder da: Der Roman.» Eichborn, 2013.

Und nun: «Er ist wieder da» von Timur Vermes. Seit Monaten rangiert das Buch unter den Top Ten der Bestsellerlisten - auch in der Schweiz. An der literarischen Qualität kann das nicht liegen. Zu dürftig sind die wirklich guten Pointen gesät in dem immerhin fast 400 Seiten starken Buch. Und will man wirklich Demokratie- und Medienschelte aus dem Munde Hitlers hören? Wenn Kim Jong-un oder Ahmadinedschad über westliche Demokratien herziehen, empfinden wir das ja auch eher als degoutant, denn als witzig.

Hitler sells

Was macht das Buch dann so erfolgreich? Eine mögliche Erklärung: Am liebsten arbeiten wir uns lachend ab an der Geschichte. Die eigene Erleichterung ist uns wichtiger als die Qualität des Witzes. Und auch die ewig gleichen Dokumentationen in «Der Spiegel» oder in «ZDF History» verdanken ihren Erfolg weniger der Aufklärung als einem wohligen Gruseln. Hitler sells, weil er noch immer ein hochemotionales Thema ist.

«Mein Kampf» - das verbotene Buch

Wenn «Hitler sells» stimmt, steht zu befürchten, dass sein Buch «Mein Kampf» ein Bestseller wird, sobald 2015 die Urheberrechte auslaufen und das Buch wieder gedruckt werden darf. Der deutsche Schauspieler türkischer Abstammung, Serdar Somuncu, ist trotzdem mit einem Programm aufgetreten, in dem er «Mein Kampf» öffentlich zitiert und kommentiert hat.

Video
Aus «Mein Kampf» lesen, um Rechtsradikalismus zu bekämpfen
Aus Kulturplatz vom 03.04.2013.
abspielen. Laufzeit 28 Sekunden.

Fast 1'500 mal hat Somuncu öffentlich aus «Mein Kampf» gelesen und auch dann nicht unterbrochen, als im Oktober 2005 rechtsradikale Demonstranten in Dippoldiswalde seine Bühne stürmten.

Video
«Es bedurfte Contenance um das nicht eskalieren zu lassen»
Aus Kulturplatz vom 03.04.2013.
abspielen. Laufzeit 53 Sekunden.

Entschärfen durch Veröffentlichung

Auch die bayerische Landesregierung, bei der die Rechte an Hitlers «Mein Kampf» noch bis Ende 2015 liegen, hat jetzt umgedacht: Seit einem Jahr arbeitet das Institut für Zeitgeschichte an einer historisch-kritischen Ausgabe von «Mein Kampf». Sie soll noch vor dem Fall des Urheberrechtes 2016 erscheinen. Dann stünden die geschönte Autobiographie, Propaganda und Geschichtsklitterung nicht mehr unkommentiert in «Mein Kampf».

Dass das Buch zum Bestseller wird, glaubt niemand am Institut für Zeitgeschichte, allein deshalb, weil es sich um eine wissenschaftliche Ausgabe handelt. Aber auch die Ausgaben, die ab 2016 erscheinen, werden keine Bestseller, hoffen die Zeithistoriker. Denn dann ist der Reiz des Verbotenen verpufft und die Mystifizierung des Buches bereits entzaubert.

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