«Hinten Lyzeum, vorne Museum»: Dieser Männerwitz bringt die unmögliche Position der älteren Frau in der Gesellschaft auf den Punkt. Sieht sie von hinten aus wie 20, dann ist das zwar das Beste, was sie erreichen kann – und doch macht sie sich gerade dadurch lächerlich.
«Eine Frau darf nicht alt sein. Aber ist sie älter, darf sie erst recht nicht jung wirken», resümiert Ulrike Draesner dieses Dilemma.
Die deutsche Schriftstellerin und Lyrikerin mit Jahrgang 1962 ist mittlerweile selbst eine ältere Frau. Sie stellt fest: «Auf einer Party fungiere ich als eine Art sprechfähiges Möbelstück.»
Die Wechseljahre als Chance
Als Frau wird sie nicht mehr wahrgenommen, jedenfalls nicht von Männern. «Ich bin Hindernis, grau wie der Einkaufskorb, ein Zwischending.»
Doch Draesner ist weit davon entfernt, sich davon einschüchtern zu lassen. Sie geht in die Offensive und entdeckt die schambesetzten Wechseljahre als eigentliche Chance für einen Rollenwechsel. Und als Ausgangspunkt für eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Altwerden überhaupt.
Die Rolle des Körpers
Der neue Essayband «Eine Frau wird älter» basiert auf einer CD, die Ulrike Draesner vor zwei Jahren mit dem Hörverlag supposé produziert hat. Unter dem Titel «Happy Aging – Ulrike Draesner erzählt ihre Wechseljahre» denkt Draesner in freier Rede laut übers Alter nach. Klug, berührend und mit viel Humor.
Draesner erinnert sich an besonders einschneidende Momente, die sie mit dem stetigen Prozess des Alterns konfrontierten. Dabei spielt der eigene Körper eine wichtige Rolle.
Die kränkende Realität
Sie erzählt, wie sie Anfang 30 ihre erste Augenfalte entdeckte. Wie sie Anfang 40 beim Tod ihres ungeborenen Kindes Leben und Sterben im eigenen Körper vereint erlebte.
Wie ihr die Frauenärztin erklärte, dass sie zu alt sei, um ein weiteres Mal schwanger zu werden: Ihr Körper befinde sich bereits in den Wechseljahren, obwohl sie selbst davon noch gar nichts bemerkt hatte.
Einfach ist das Altern nicht. Und doch hält Draesner dieser kränkenden Realität etwas entgegen: Ob man im Alter erblüht oder erstarrt, ob man zur vollen Reife gelangt oder zum «Ex-Menschen» wird, ist keine biologische Frage. Sie hängt davon ab, welche Vorstellungen man sich vom Alter macht.
Entfaltung, nicht Verfall
«Diese ganzen Bilder, die uns mitgegeben werden, finde ich wirklich giftig», sagt Draesner. «Das sind ja keine Wahrheiten über unsere Körperlichkeit und über unser Leben, sondern in unserer Kultur stark verankerte Bilder.»
Der geläufigen Metapher von der «kurzen Blüte des Menschen in der Mitte des Lebens» und der «langen Talfahrt bis zum Tod» hält sie eine attraktive Alternative entgegen: Das Alter, das einem blüht. Das blühende Alter.
Mit diesem schönen Bild rücken auch die negativen Aspekte des Altwerdens in ein anderes Licht. Alter erscheint dann nicht als Verfall, sondern als Entfaltung der Persönlichkeit: «Dein ganzes Bild darf erscheinen.»
Gegen das Alter, so Draesner, gibt es kein Rezept. Für ein glückliches Altwerden vielleicht schon, möchte man nach der Lektüre ihres Essaybandes ergänzen: Draesner lesen!