«Ich bin kein Vollzeitbiest. Ich bin eher schüchtern», schreibt Virginies Despentes. Und das sagt sie auch bei unserer Begegnung in Paris. Ich hatte das Gegenteil erwartet, einen schroffen, ja vielleicht sogar arroganten Literatur-Star.
Das ist sie definitiv nicht. Sie ist tatsächlich eher scheu. In ihren Texten ist davon allerdings nichts zu spüren. Vor allem nicht in ihrem Essayband «King Kong Theorie».
Tu, was dir gefällt
Der dünne Band mit sieben Aufsätzen ist ein Plädoyer für die Lust der Frau und für die Pornografie. Virginies Despentes ruft die Frauen dazu auf, sich nicht in die Süsse-Mädchen-Rolle drängen zu lassen.
Bereits auf der ersten Seite, im ersten Satz, macht sie klar, an wen sie sich mit ihren provokativen Texten richtet: «Ich schreibe aus dem Land der Hässlichen und für die Hässlichen, die Alten, die Mannweiber, die Frigiden, die schlecht Gefickten, die nicht Fickbaren, die Hysterischen, die Durchgeknallten, für alle aus dem Markt der tollen Frauen Ausgeschlossenen.»
Unreine und anstössige Wünsche
Das sind deutliche Worte. Worte, die nicht alle gerne hören. Unter Titeln wie «Porno-Hexen», «Macht’s besser Mädels» und «Fick ich dich oder fickst du mich?» zeigt sie auf, dass Frauen Angst davor haben, als Schlampen zu gelten, wenn sie ihre Fantasien ausleben.
Frauen seien darauf konditioniert, anständig zu sein und ihre sexuellen Wünsche als unrein und anstössig zu empfinden. «Quatsch», findet Virginie Despentes.
Zum Glück gibt es den Punkrock
Für die Autorin selber war Punkrock wichtig, um sich zu befreien. Sie schreibt, Punk zu sein habe ihr geholfen, sich aus den Gender Codes zu befreien und ihre Weiblichkeit neu zu erfinden.
«Das ganze Konzept des Punk ist, nicht zu tun, was man dir sagt.» Was für sie damals hiess, Sex haben mit wem man will, Bier trinken bis zur Besinnungslosigkeit und sich den gängigen Schönheitsidealen zu entziehen.
Despentes verteidigt die Pornografie
Angeeckt ist Virginies Despentes bei Erscheinen ihrer Essaytexte vor zwölf Jahren allerdings mit ihren Aussagen zu Pornografie und Prostitution. Sie fragt sich, warum Prostituierte bedauert und als Opfer dargestellt werden und warum Pornofilme von der Gesellschaft verteufelt und abgelehnt werden.
Sie gibt Antworten darauf, stellt Thesen auf, die gerade auch in feministischen Kreisen nicht gut ankommen. Prostituierte sollen ihr Geschäft unter anständigen Bedingungen betreiben können und Pornos sollen nicht verteufelt werden. Denn sie zeigen, was uns erregt und was aus unkontrollierten Zonen kommt.
Erfahrung als Prostituierte
Dabei bezeichnet sich Virginies Despentes selber als Feministin. Und sie schreibt aus Erfahrung. Sie selber hat kurze Zeit als Prostituierte gearbeitet.
Sie sagt, dass sie von den Männern nie schlecht behandelt worden sei. Erstaunt habe sie vielmehr die Einsamkeit und Traurigkeit der Männer und die hypnotische Wirkung, die man als Frau hat, wenn man sich «wie eine Nutte» anziehe.
Provokative Thesen
Eine ähnliche Wirkung schreibt Despentes auch Pornostars zu. In ihrer Romantrilogie «Das Leben des Vernon Subutex» sind es gerade die Pornostars, die das beste Sexleben haben.
Sie nehmen sich, was sie wollen und lassen sich fürstlich bezahlen. Ganz im Gegensatz zu vielen Ehefrauen, die – so Virginies Despentes – oft ein unerfülltes Sexleben haben und es erst noch umsonst tun.
Man spürt in den Texten aus «King Kong Theorie» einen Furor, eine Wut auf das Establishment und der Rolle, die man den Frauen darin zuweist. Die Texte haben – wie Virginies Despentes selber schreibt – einen Bezug zu dem, was sie selber erlebt hat, als sie als junge Frau vergewaltigt wurde und später als Prostituierte gearbeitet hat. Die Texte haben auch zwölf Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung nichts von ihrer Dringlichkeit verloren.