Die deutsche Sprache verdankt ihm wunderbare Verse und Cartoons: F.W. Bernstein gehörte als Zeichner und Lyriker zur seltenen Spezies der Universaltalente.
Der Mitbegründer der «Frankfurter Neuen Schule», dem das Nachkriegsdeutschland ein ganz neues Verständnis von Humor und Ironie verdankt, ist am Donnerstag im Alter von 80 Jahren gestorben.
Literaturredaktor Michael Luisier über einen Humoristen, der eine ganze Generation prägte.
SRF: Wer genau war F.W. Bernstein?
Michael Luisier: F.W. Bernstein war in erster Linie Zeichner. Er hat ein Leben lang als Karikaturist gearbeitet. Später war er Professor für komische Kunst an der HDK in Berlin. Und er war komischer Dichter. Neben seinem Kollegen Robert Gernhardt gehörte er zu den wenigen ganz Grossen seiner Zunft und Zeit.
Mit Robert Gernhardt verband ihn eine lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit. Wie war das Verhältnis der beiden?
Sie haben zusammen studiert, lebten zusammen in einer Studenten-WG und gingen zusammen zur «Pardon», der Satirezeitschrift damals. Dort betreuten sie über Jahre die Nonsensbeilage «WimS», Welt im Spiegel. Zusammen mit dem Zeichner F.K. Wächter.
Aus diesem Trio heraus ist dann die sogenannte «Neue Frankfurter Schule» entstanden, mit drei weiteren Leuten. Ein Komikerkollektiv, das den Humor in Nachkriegsdeutschland verändert hat, verrückter, anarchistischer, besser und politischer gemacht hat. Vielleicht vergleichbar mit der Bedeutung von Monty Python in England.
Was war das Spezielle an Bernsteins Dichtkunst?
Ich glaube, zwei Dinge sind wichtig. Erstens: den Sinn schön flach halten. Das hat er selber immer gesagt. Zweitens: Wissen, in welchem Kontext man schreibt. Das hat wiederum mit Gernhardt zu tun.
Er schuf Gedichte, die schräger, origineller, feiner und humorvoller sind als alles andere, was es damals gab.
Er war der grosse deutsche Dichter und wollte das auch sein. Bernstein war das egal. Er hielt sich nicht für gross. Er war Professor, musste auch nicht von seiner Dichtkunst leben. Genau darum schuf er Gedichte, die schräger, origineller, feiner und humorvoller sind als alles andere, was es damals gab.
Können Sie ein Beispiel machen?
Es gibt dieses berühmte Gedicht mit der Wachtel. Eine Wachtel, die nichts anderes ist als eine Wachtel. Die ist keine rote Armee. Sie stürmt auch nicht den Vatikan. Sie tippelt einfach nur aus dem dunkeln Tann. Und am Schluss heisst es: Weltmachtwachtel wird die nie.
Das ist komisch, schräg und menschenfreundlich: eine Wachtel besingen, die niemandem was tut. Das ist Nonsens. Und das hat er sich erlaubt.
Was meinen Sie mit «Wissen, in welchem Kontext man schreibt»?
Bernstein kannte sich aus. Er kannte die ganzen deutschen Balladen und die ganzen Gedichte. Er hat auch da den Sinn entfernt und sie von der Form her übernommen. Von Eichendorff etwa stammt das Gedicht «In einem kühlen Grunde».
«In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad
Mein’ Liebste ist verschwunden
Die dort gewohnet hat.»
Bei Bernstein heisst es:
«In schönsten Bierglas Grunde
Da schäumt ein blondes Bier
Nicht weit von deinem Munde
Das Bier, es will zu dir.»
Auch da: Sinn schön flach halten. Aber wissen, in welchem Kontext man schreibt.
Sie haben Bernstein persönlich gekannt. Wie war er als Mensch?
Er war unendlich freundlich, höflich, zuvorkommend und bescheiden. Wenn es jemanden gab, der für den Ausdruck «sein Licht unter den Scheffel stellen» steht, dann war das F.W. Bernstein.
Dabei ist er sehr erfolgreich. Er ist mehrfach ausgezeichnet worden. Mitunter mit dem Göttinger Elch. Lustigerweise einem sehr bedeutenden Preis, der ausgerechnet nach seinem Elch benannt wurde.
Das Gespräch führte Beatrice Kern.