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Federica de Cesco wird 80 «Federica de Cesco hat bis jetzt keine Nachahmerin gefunden»

Federica de Cescos erste Veröffentlichungen liegen mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Seitdem hat sich einiges verändert im Bereich der Jugendliteratur. Warum faszinieren ihre Geschichten heute noch?

Als Schweizer Mädchen in den 50er- und 60er-Jahren wuchs man mit Mädchen, die Anneli, Vreneli und Christeli hiessen. Sie trugen Röcke und Schürzen. Ihr Handeln war stets auf die Gemeinschaft ausgerichtet – auf die anderen, auf die Familie.

Federica de Cescos Roman «Der rote Seidenschal» erschütterte dieses klassische Frauenbild: «Plötzlich ist da ein junges Mädchen, Ann, die anders ist als alle bisherigen Romanmädchen», sagt Manuela Kalbermatten. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte für Populäre Literaturen und Medien an der Universität Zürich.

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Das Phänomen Federica de Cesco
aus Kultur-Aktualität vom 23.03.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 28 Sekunden.

«Der rote Seidenschal» – die Sicht eines Jungen

Federica de Cesco war 15 als sie «Der rote Seidenschal» schrieb. Wie sie selber erzählt, hat sie damals viele Jungenbücher gelesen und selbst ein bisschen wie ein Junge getickt. Die Figur der Ann schrieb sie schliesslich so, als ob Ann ein Junge wäre.

«Man merkt der Hauptfigur Ann sehr stark an, dass sie gegen die weiblichen Rollenvorschriften rebelliert. Sie findet sich nicht ab damit, im Haus tätig zu sein und wünscht sich einen freiheitlichen Lebensentwurf. Und der war eben für Mädchen zu dieser Zeit nicht zu haben», so Kalbermatten.

De Cescos Romane bedienen viele Klischees

So lässt Federica de Cesco in ihren Büchern ihre Heldinnen auch um die Welt reisen. Sie schickt sie in fremde Kulturen, in exotische Räume, wo sie in unbekannten Situationen selbstbestimmt handeln. Diese beiden wichtigen Ingredienzen ziehen sich durch ihr Jugendwerk hindurch. Dabei bedient sie aber auch einige Klischees.

«In den früheren Romanen merkt man relativ stark, dass eine gewisse Exotisierung da ist. Diese Räume sind sehr nostalgisch, romantisiert, zum Teil auch verklärt. Das Elend wird zwar immer wieder thematisiert, aber insgesamt spürt man immer wieder den nostalgischen Blick», so Kalbermatten.

Spätere Texte thematisieren das Aufwachsen in anderen Kulturen, zum Beispiel in Japan oder Tibet. Diese Kulturen werden viel differenzierter und komplexer dargestellt, als in den früheren Texten. Die Mädchenfiguren blieben aber relativ konstant in der Art der Charakterisierung und den Eigenschaften, die sie aufwiesen, erklärt Manuela Kalbermatten.

Ist heute noch Platz für sie in der Jugendliteratur?

Haben diese Figuren noch Platz in der heutigen Jugendliteratur? Der Fokus der heutigen Jugendliteratur hat sich verschoben. Jugendliteratur ist vielschichtiger geworden und stellt «die Arbeit am eigenen Selbst» mehr ins Zentrum.

Trotzdem deutet doch vieles darauf hin, dass die Geschichten von Federica de Cesco nach wie vor gelesen, gekauft und verschenkt werden: In Bibliotheken sind ihre Bücher oft ausgeliehen, ihr Verlag legt ihre Werke als Taschenbücher immer wieder neu auf. «Der rote Seidenschal», obschon bereits 61jährig, ist nach wie vor erhältlich und ihre kürzeren Texte sind in Anthologien und Schulbücher eingegangen.

Bis jetzt hat sie keine Nachahmerin gefunden

Vielleicht liegt es auch daran, dass das Werk von de Cesco einzigartig ist, erklärt Manuela Kalbermatten: «Es ist schwierig, sie einzuordnen. Es ist weder bürgerliche Mädchenliteratur, noch psychologische Mädchenliteratur.

Auch handelt es sich nicht um emanzipatorische Mädchenliteratur im dem Sinne, dass sie das Aufbegehren gegen gesellschaftliche Verhältnisse geprägt hat.

Federica de Cesco nimmt eine relativ einzigartige Position ein mit ihren Texten. Meines Wissens hat sie damit bis jetzt keine Nachahmerin gefunden in der Jugendliteratur».

Und so lange sie diese einzigartige Position hat, und damit ihr Publikum findet, so lange schreibt sie wohl weiter.

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