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Nahaufnahme einer Frau, die vor der Kamera posiert.
Legende: Andrea Levy schreibt Geschichten über Diskriminierung, ausgezeichnet recherchiert. Getty Images

Generation «Windrush» Die unfeine englische Art des Rassismus

550'000 schwarze Briten holte Grossbritannien nach dem 2. Weltkrieg aus der Karibik ins Land – als billige Arbeitskräfte. Heute stehen 50'000 ohne Papiere da. Wie schwer sich die Briten immer wieder mit dem Erbe des Commonwealth tun, erzählen auch die Romane von Andrea Levy.

Andrea Levy hat es bis zum Tee bei der Queen gebracht: mit der Geschichte ihrer Eltern, die 1948 auf dem Dampfer «Empire Windrush» aus der Karibik nach London gekommen waren.

Generation «Windrush»

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Legende: Wikimedia

Nach dem 2. Weltkrieg und bis in die 1970er-Jahre wurden Commonwealth-Bürger als Abeitskräfte nach Grossbritannien geholt – überwiegend aus der Karibik. Da in den 1950er-Jahren viele auf einem Schiff namens «Windrush» kamen, nennt man die Einwanderer «Windrush-Generation». Aktuell macht der sogenannte «Windrush»-Skandal Schlagzeilen: Der Guardian hat aufgedeckt, dass die britischen Behörden Jahrzehnte nach der Ankunft der «Windrush» alles taten, um den Einwanderern Rechte vorzuenthalten – etwa Geld aus den Sozialversicherungen.

Ihr Buch «Small Island» («Eine englische Art von Glück») von 2004 schlug ein wie eine Rakete. Es räumte – ähnlich wie «Zähne zeigen» von Zadie Smith – mit dem Vorurteil auf, dass sich Texte von schwarzen Schriftstellerinnen und Schriftstellern nicht an weisse Leserinnen und Leser verkaufen liessen.

Literaturhinweis

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Andrea Levy: «Eine englische Art von Glück». Insel Verlag. 2011.

Anfang der 1990er-Jahre sah das noch anders aus. Da war Andrea Levy eine erfolgreiche Grafikerin. Sie suchte einen Verlag für ihren Erstling. Darin erzählt sie, wie es ihrer Familie erging, nachdem diese in London von Bord der «Empire Windrush» gegangen war.

Das war eine Geschichte, auf die damals niemand gewartet hatte – und von der niemand dachte, dass sie sich verkaufen liesse. Die Vorstellung, Texte von schwarzen Autorinnen und Autoren beschreiben per se eine ganz andere Welt als jene weisser Leserinnen und Leser, ist mehr als ein Vorurteil. Auch durch den Erfolg, den Andrea Levy dann hatte, wurde es nicht ausgeräumt.

Mit Klischees aufräumen

Andrea Levy hat sich in ihren Werken immer wieder mit Rassismus beschäftigt. In ihrem Roman «The Long Song» («Das lange Lied eines Lebens») zum Beispiel, der in den Jahren vor und nach der Abschaffung der Sklaverei auf Jamaika spielt.

«The Long Song» ist ein fantastisch recherchiertes Buch, das nicht nur mit Klischees aufräumt, sondern aufzeigt, dass die Auswirkungen der Sklaverei noch längst nicht überwunden sind.

Literaturhinweis

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Andrea Levy: «Das lange Lied eines Lebens». bzb Verlag. 2012.

Dass die Sklaverei nicht wirklich vorbei ist, zeigt auch der «Windrush»-Skandal. Fast 15 Prozent der karibischen Bevölkerung wurde in den 50er- und 60er- Jahren ins Mutterland geholt. Über eine halbe Million Menschen sollten mithelfen, Grossbritannien nach dem Krieg wiederaufzubauen.

Sklave für immer

Sie hatten Bleiberecht. Doch dann wurden schärfere Gesetze eingeführt. Wer es verpasst hatte, seine Papiere in Ordnung zu bringen, verlor alle Rechte – auch wenn er jahrzehntelang Steuern bezahlt hatte. Ein Sklave eben.

Einen Grossteil der Registerkarten aus der Einwandererzeit, die es ermöglichen würden, Niederlassungsansprüche zu beweisen, hat die entsprechende Behörde bei einem Umzug 2010 zudem entsorgt. «A Long Song», würde Andrea Levy sagen.

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