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Grand Prix Literatur Eine Reisende in Sachen Fremdheit

In Ungarn geboren, in der Sprache zuhause: Die Schriftstellerin Zsuzsanna Gahse erhält den höchstdotierten Literaturpreis der Schweiz.

Müsste man Zsuzsanna Gahses umfangreiches Werk mit einem Wort beschreiben, es wäre wohl «fliessende Präzision». Ein Widerspruch eigentlich, den die heute 72-Jährige von Buch zu Buch fast traumtänzerisch auflöst.

In «JAN, JANKA, SARA und ich» von 2015 zum Beispiel wirft sie ein erzählerisches Netz über ein rasant wachsendes einstiges Bauerndorf. Eine Vielzahl von Stimmen äussert Gedanken und Beobachtungen.

Kommt vom Hundertsten ins Tausendste, vom Kleinen ins Grosse, vom Persönlichen ins Allgemeine und umgekehrt. Bis ein Gesamtbild entsteht, ein Fluss, in dem jedes mitgeführte Stöckchen und Blatt sichtbar bleibt, das Detail also seine Eigenständigkeit bewahrt.

Scharfer Humor

Wie immer bei Zsuzsanna Gahse ist das packend, anrührend und sprachlich raffiniert erzählt. Die kristallinen Sätze singen und tanzen und verblüffen mit scharfem Humor.

Zsuzsanna Gahse wurde 1946 in Budapest geboren. Zehnjährig flüchtete sie nach dem Ungarn-Aufstand mit ihren Eltern nach Wien. Das Deutsche wurde zu ihrer Schreibsprache.

Schwarzweissbild der Schriftstellerin Zsuszanna Gahse.
Legende: Kosename «Sprach-Alchemistin»: Zsuzsanna Gahse, Gewinnerin des Grand Prix Literatur 2019. SRF / Lukas Maeder

«Die Sprache ist ja eine Art Infusion, gegen die man sich nicht wehren kann», sagte sie einmal. «Sie strömt auf einen ein und weckt Ideen und Gedanken. Weil ich das Deutsche plötzlich um mich hatte, fing ich also an, Deutsch zu schreiben.»

Texte, in denen man wohnen kann

Aus der Infusion der deutschen Sprache bezog Zsuzsanna Gahse bislang über zwei Dutzend Bücher – Gedichtbände, Erzählungen, Romane. Eine «Sprach-Alchemistin» wird sie gerne genannt.

Sie experimentiert aber nie nur um des Experimentierens willen. Sie will Texte schaffen, die man bewohnen, in denen man «auf und ab gehen kann».

Auseinandersetzung mit dem Fremden

Zsuzsanna Gahse ist nicht nur in der Literatur eine leidenschaftliche Reisende. Immer geht es ihr um Begegnung, um die Reibungen zwischen Vertrautem und Fremdem, um Auseinandersetzung.

Der Grand Prix Literatur

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Der mit 40'000 Franken dotierte Schweizer Literaturpreis wird jährlich vom BAK verliehen. Zsuzsanna Gahse erhält den Schweizer Grand Prix Literatur 2019 «für ihr originelles Werk zwischen Poesie und Prosa», wie es in einer Medienmitteilung heisst. Der Spezialpreis Vermittlung geht gleichzeitig an das Centre de traduction littéraire in Lausanne und das Übersetzerhaus Looren. Die Preisverleihung findet am 14. Februar 2019 in der Nationalbibliothek in Bern statt.

Diese will sie politisch verstanden wissen, wenn auch mit einem Vorbehalt: «Ich möchte nie mit dem erhobenen Finger schreiben, das hat man im vergangenen Jahrhundert gemacht. Aber etwas auszusagen gibt es immer wieder.»

Yoghurt und Identiät

Mit ihrer präzisen Poesie sagt Zsuzsanna Gahse ganz vieles aus. Hält zum Beispiel all denen, die sich nicht fürs Thema Migration interessieren in ihrem wunderbaren Reisebericht «Südsudelbuch» von 2013 entgegen: «Niemand ist überhaupt nicht fremd».

Und führt auf ihre kluge, witzige Art ganz nebenher den Beweis, dass auch Wörter Migranten sind. Das Wort «Yoghurt» zum Beispiel verliere seine Identität: Wo man auch hinkomme, der Yoghurt schmecke anders.

Sendung: SRF 4 News, Nachrichten, 17.1.2018, 10:30 Uhr

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