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Historischer Roman Als Max Planck seinen Sohn nicht vor den Nazis retten konnte

Der Sohn des berühmten Quantenphysikers wurde von den Nazis hingerichtet. Autor Steffen Schroeder, ein später Nachfahre Plancks, rekonstruiert die Tragödie in Romanform.

Herbst 1944 in Hitler-Deutschland: An Max Planck nagt die Depression. Der Physiker und Nobelpreisträger steckt in der tiefsten Krise seines Lebens. Die Vorstellung, er könne unter Hitler ein von der politischen Grosswetterlage unbelastetes Leben als Wissenschafter führen, hat sich als Illusion erwiesen.

«All die Jahre hat er versucht, nicht anzuecken. (…) Immer in der Hoffnung, dass man ihn würde gewähren lassen.» Es ist der hochbetagte Max Planck, der so sinniert – im Roman «Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor» des Deutschen Steffen Schroeder.

Kurzkritik zu Steffen Schroeders Roman

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«Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor» bietet ein ebenso packendes wie bildendes Lesevergnügen. Der zeitliche Bogen erstreckt sich vom Oktober 1944 bis zum Kriegsende im Mai 1945. Ausgangspunkt ist die schwere Krise, in die Max Planck gerät, als sein Sohn Erwin verhaftet wird und das Regime gleichzeitig von ihm verlangt, Hitler zu huldigen.

Die Erzählung gliedert sich in gut 40 Kapitel. Sie sind immer einer der Figuren des Romans gewidmet und geben Einblicke in deren unterschiedliche Gedankenwelt: Neben Max Planck sind dies etwa sein Sohn Erwin, dessen Ehefrau Nelly, Albert Einstein oder dessen Sohn Eduard. Jener ist psychisch erkrankt und sitzt im Zürcher «Burghölzli».

Durch diese Vielstimmigkeit in der Erzählung entsteht ein multiperspektivisches Bild der Beziehungen zwischen den Figuren und den dramatischen Geschehnissen während der letzten Monate des «Dritten Reichs». Wir erleben die innere Not Max Plancks, Erwin Plancks prekäre Lage im Gefängnis, Einsteins freiheitliches Leben jenseits des Atlantiks, das so anders ist, als der bleierne Alltag im Dritten Reich.

Steffen Schroeder ist offensichtlich um historische Präzision bemüht. Dort, wo er Fiktion einsetzt, um historische Leerstellen zu füllen, tut er dies zurückhaltend und glaubwürdig. Auf diese Weise gelingt es ihm, Wissenschaftsgrössen wie Planck oder Einstein literarisch mit Leben zu füllen und gleichzeitig ein einprägsames Bild jener dunklen Epoche zu vermitteln.

Eine Diktatur kennt kein Erbarmen

Zu jenem Zeitpunkt greift das Regime brutal in sein Leben ein: Die Gestapo hat Plancks gut 50-jährigen Sohn Erwin verhaftet – wegen Mitwisserschaft am gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 unter der Führung von Stauffenberg.

Nun sitzt der geliebte Sohn im Gefängnis und wartet auf das Bluturteil des «Volksgerichtshofs». Gleichzeitig verlangt das Regime vom Vater, er möge sich offen zu Hitler bekennen.

Portrait von Erwin Planck mit Monokel.
Legende: Der 1945 von den Nazis ermordete Erwin Planck war deutscher Politiker und Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus. Getty Images/ullstein bild

«Wie hätte ich damals entschieden? Diese Frage stand am Anfang des Romanprojekts», sagt Steffen Schroeder. Sie habe ihn während der gesamten umfangreichen Recherchen zum Buch begleitet: «Ich wollte ganz genau wissen, was damals geschah.»

Der 1974 geborene Schroeder ist eigentlich Schauspieler. Der Planck-Roman ist sein zweites literarisches Werk. 

«Max Planck war kein Nazi, aber Opportunist»

Steffen Schroeder ist ein entfernter Nachkomme von Max Planck. Der berühmte Vorfahre sei in seiner Familie immer ein Thema gewesen: «Man hat sich mit einem gewissen Stolz an ihn erinnert.»

Wie aber stand der Physiker zu den Nazis? Er sei «kein Nazi, aber ein Opportunist» gewesen, erklärt der Planck-Biograf Dieter Hoffmann. Planck habe das «Nazi-Regime nie öffentlich verurteilt», über dessen Gräueltaten hinweggesehen, um ungestört seine Forschung betreiben zu können.

Buchhinweise

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  • Dieter Hoffmann: «Max Planck. Die Entstehung der modernen Physik». C.H. Beck, 2008.
  • Steffen Schroeder: «Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor». Rowohlt, 2022.

Zwischen den Zeilen leise Kritik 

Ab Mitte der 1930er-Jahre änderte auch Max Planck seine Haltung zu den Nazis: So liess er etwa in Vorträgen zu ethischen Fragen zumindest zwischen den Zeilen Kritik an der Barbarei des Hitlerstaats durchblicken.

Dann kam es zur unerträglichen Situation im Herbst 1944: Sohn Erwin sass im Gefängnis. Als Vater Planck Hitler huldigen sollte, rang sich der betagte Physiker dazu durch, sich dem Regime zu verweigern. Er gab keine öffentliche Loyalitätsbekundung für den Diktator ab.

Max Planck sei damit über den eigenen Schatten gesprungen, sagt Steffen Schroeder. Sein Vorfahre sei aufgrund seiner konservativen Prägung schlicht «nicht dafür gemacht» gewesen, «den Gehorsam zu verweigern».

Dem Physik-Giganten waren die Hände gebunden

Plancks Weigerung blieb für ihn folgenlos. Aber er scheiterte damit, das Leben des inhaftierten Sohns zu retten: trotz diverser Briefe und persönlicher Vorsprache bei einflussreichen Nazis. Das Todesurteil wurde im Januar 1945 vollstreckt.

Man könne Max Planck keinen Vorwurf machen, findet Steffen Schroeder: «Er hat alles getan, was er als Vater tun konnte.» Hitler habe die Leiche gewollt, «da blieb selbst eine Wissenschaftsgrösse vom Zuschnitt Max Plancks am Ende machtlos.»

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