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Literatur Hohler über Hüsch: Er sah sich bis zuletzt auf der Bühne

Hanns Dieter Hüsch trat nicht nur gemeinsam mit Franz Hohler auf, die beiden verband auch eine lange Freundschaft. Franz Hohler erzählt wie der gläubige Christ Hüsch mit dem Tod umging und wie sich sein Schreiben nach dem Schlaganfall veränderte. Der Kabarettist wäre heute 90 Jahre alt geworden.

Franz Hohler, Sie haben Hanns Dieter Hüsch bis an sein Lebensende begleitet. Was für eine Beziehung hat Sie mit ihm verbunden?

Hanns Dieter Hüsch

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Der deutsche Kabarettist, Schriftsteller, Kinderbuchautor, Schauspieler, Liedermacher, Synchronsprecher und Rundfunkmoderator stand 53 Jahre lang auf der Bühne und hat 70 eigene Produktionen entwickelt. Er erhielt viele Auszeichnungen und war seit 1999 Schirmherr des Kabarett-Preises «Das Schwarze Schaf».

Als ich begann aufzutreten, habe ich ihn mal in eine Vorstellung eingeladen. Das war der Anfang einer langen Freundschaft. Wir sind dann auch zusammen aufgetreten, mehrmals. Es gab ein letztes grosses Programm, das wir gemacht haben und dann kam die Nachricht: Er sei in die Klinik eingeliefert worden und könne nicht auftreten – vielleicht später. Dann merkte man: es gibt kein später. Er kann nicht mehr auftreten. Ab dann habe ich ihn gelegentlich besucht.

Wir hatten schöne Gespräche über das was wir gemacht haben, über das was er gemacht hat. Manchmal war er wie weg vom Gespräch oder kam unvermutet mit einer Frage: «Ist es im grossen oder im kleinen Sendesaal?» Aber er dachte immer noch ans Auftreten. Einmal hat er mir den Plan für sein nächstes Programm geschildert. Und dieser Plan bestand aus gar nichts ausser einem Auftritt, seinem Winken und dann würde er wieder von der Bühne weggehen. Also hat er sich bis zuletzt als einen gesehen, der seinem Publikum, dem er verbunden ist, zuwinkt und sich verabschiedet.

Hanns Dieter Hüsch war ein gläubiger Christ. Wie hat er dem Tod entgegen geblickt?

Ich denke, er hatte keine Angst vor dem Tod. Er hat oft auch in religiösen Texten seine Verbundenheit mit einer göttlichen Macht geschildert: «Was macht, dass ich so unbeschwert, und mich kein Trübsinn hält? - Weil mich mein Gott das Lachen lehrt, wohl über alle Welt.» Das war seine Beziehung zu Gott, die eigentlich auch eine humoristische war. Er fühlte sich mit diesem Gott verbunden, der einen ausserordentlich menschlichen Himmel geführt hat.

Es gibt ein ganzes Buch – «Wir sehen uns wieder» – wo er seine Texte über seinen Besuch im Himmel vereinigt hat. Und das sind sehr liebenswürdige, fröhliche und gelassenen Texte. Ich denke, er hatte diese Gelassenheit auch dem Tod gegenüber.

Nach seinem Schlaganfall musste Hüsch die Sprache wieder lernen, geschrieben hat er weiterhin. Was ist dabei entstanden?

Es entstanden sehr seltsame Gedichte. Die knüpften zwar durchaus an seine Sprache von vorher an. Sie entwickelten aber eine Eigendynamik, die ihm auf irgendeine Art etwas entglitt. Das ist wie eine Verabschiedung von seiner eigenen Arbeit. Wie er es selbst empfunden hat, kann ich nicht sagen. Als er noch sprechen konnte, habe ich habe ihn einmal gebeten, mir diese Gedichte auf Band zu sprechen. Das hat er sehr gerne getan, obwohl es ihm nicht mehr leicht fiel. Er hat die Gedichte gesprochen und er hat sie mit Freude gesprochen.

Audio
H. D. Hüsch liest «Jetzt ist die Zeit verstrichen»
aus Kultur kompakt vom 06.05.2015.
abspielen. Laufzeit 42 Sekunden.

Welches dieser Gedichte ist Ihnen besonders ans Herz gewachsen?

Es gibt eins, das anfängt mit den Worten «Jetzt ist die Zeit verstrichen.» Dieser melancholische Anfang, der auch auf seine Situation zutraf, hat mich besonders berührt.

Planen sie was besonderes mit diesen Gedichten?

Ich werde demnächst einen Abend im Unterhaus in Mainz machen – das ist eines der Stammlokale von Hanns Dieter Hüsch gewesen. Ich bin da auch öfters aufgetreten. Ich werde das zusammen mit Erwin Grosche machen, einem deutschen Kleinkunst-Kollegen. Dort werden wir die Gedichte vortragen und schauen wie sie auf das Publikum wirken.

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