Zum Inhalt springen

Hosen-Sänger im Literaturclub Campino: «Ich bin wegen des Lesens sitzengeblieben»

Der Frontmann der Toten Hosen war schon in jungen Jahren ein begeisterter Leser. Hier erklärt Campino, weshalb ihn das ein Jahr auf der Schulbank kostete. Warum ihn, den Fussballfan, ein Boxer-Roman so begeistert. Und welche Bücher ihn sonst umhauen.

Campino

Musiker

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der 1962 geborene deutsche Musiker Campino ist seit über 40 Jahren Frontmann und Songwriter der «Toten Hosen». Zudem ist er als Schauspieler tätig. 2020 erschien Campinos Buch «Hope Street» (Piper), in dem es um seine Leidenschaft für Fussball geht.

Bildquelle: Keystone/DPA/Britta Pedersen

SRF: Haben Sie ein Lieblingsbuch?

Campino: Es gibt viele liebste Bücher, die nicht mehr aus der Erinnerung auszuradieren sind. Gerade ist es «Der Boxer» von Szczepan Twardoch.

Es geht um einen Boxer im jüdischen Milieu, der auch im Rotlicht tätig ist – in Warschau kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Das ist so spannend und so aufregend geschildert, dass es mich von der ersten bis zur letzten Seite in Bann gehalten hat.

Lesen war der Zutritt in eine neue Welt.

Daraufhin hatte ich das Gefühl, ich müsste das Buch allen meinen Freunden schenken. Gott sei Dank tauchen von Zeit zu Zeit immer wieder solche tollen Bücher auf.

Wo lesen Sie am liebsten?

Am häufigsten lese ich mittlerweile im Zug oder im Flugzeug auf Reisen. Wenn ich nichts anderes machen kann und auch nicht erreichbar bin.

Am liebsten würde ich beim Lesen natürlich in einem gemütlichen Sessel vor einem Kamin sitzen, oder irgendwo auf einer Terrasse an einem sonnigen Tag. Aber diese Idealvorstellung kommt halt seltener vor als der schnöde Zug.

Welches Buch hat Ihre Liebe zum Lesen eröffnet?

Es ging damit los, dass mein ältester Bruder uns beiden Jüngeren immer Geschichten vorgelesen hat. «Lederstrumpf» und so weiter, «Der rote Sturm» – alles damalige Indianergeschichten. Das hat mich immer begeistert. Dann habe ich selber angefangen zu lesen, durch den Buchclub in der Schulklasse.

Und eigentlich bin ich auch wegen des Lesens direkt in der 5. Klasse sitzengeblieben. Weil ich nichts anderes mehr gemacht habe, ausser Bücher zu lesen. Leider gab es in der Schule eine Menge Fächer, die darunter litten. Aber es war der Zutritt in eine neue Welt.

Ich war woanders, das hat mir gutgetan.

Ich habe zu Hause stundenlang auf meinem Bett gelegen und Romane verschlungen. Am besten war’s, wenn meine Mutter mir zwischendurch ein paar belegte Brötchen hochgebracht hat – ich bin dann einfach abgedriftet. Ich war woanders. Das hat mir damals sehr gutgetan.

Ein Buch, das Sie immer wieder zur Hand nehmen?

Ein Buch, an dem ich jederzeit wieder Vergnügen habe, wenn ich es aufschlage: «Die Brautprinzessin» von William S. Goldman. Das habe ich schon fünf oder sechs Mal gelesen.

Es ist ein wunderschönes Märchen, in moderner Form erzählt. Es reisst Erwachsene und Kinder gleichermassen mit. Ein tolles Buch!

 Ein richtig gutes Buch über Fussball?

Ich glaube, die Antwort wird bei 99 Prozent aller Befragten «Fever Pitch» sein. Der Roman von Nick Hornby. Ein tolles Buch, das vieles über die Leidenschaft, die Liebe und den Frust eines Fussballfans auf den Punkt bringt. Die meisten Fussball-Sachbücher sind allerdings fürchterlich langweilig.

Bei welchem Buch haben Sie zuletzt laut gelacht?

Es wird «Gentleman über Bord» von Herbert Clyde Lewis gewesen sein. Auch bei «Crossroads» von Jonathan Franzen gab es einige sehr komische Stellen.

Welches Buch erklärt für Sie am besten die Welt?

Das geht jetzt sehr weit – und letztendlich habe ich so ein Buch noch nicht gefunden. Die Welt ist nicht zu verstehen, und sie wird auch nicht durch ein Buch erklärt.

Aber es gibt Unglaubliches: Ich denke da zum Beispiel an das Buch «Menschenrauch» von Nicholson Baker, wo es um die KZs im Zweiten Weltkrieg geht: Zeitzeugenaussagen von Soldaten, Männern in Führungspositionen, einfachen Menschen, Opfer und Täter: ein Buch, vollgepackt mit Berichten und Zitaten. Daran hat man wirklich zu knacken. Es ist ein Schlag in den Bauch.

Das Gespräch führte Markus Tischer.

Wöchentlich frischer Lesestoff im Literatur-Newsletter

Box aufklappen Box zuklappen

Der Literatur-Newsletter bietet die perfekte Inspiration für das nächste Buch. Ausserdem wird jede Woche eine Schweizer Schriftstellerin oder ein Schweizer Schriftsteller in den Fokus gerückt. Newsletter jetzt abonnieren.

SRF 1, Literaturclub, 11.04.2023, 22:25 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel