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Illustrator Hannes Binder Der Spinner mit dem unverkennbaren Strich

Seine aufwändige Illustrations-Technik macht Hannes Binder einzigartig. Nun wird der Comiczeichner mit dem Kulturpreis des Kantons Zürich geehrt. Eine Hommage an einen Weissmaler.

Sein Markenzeichen ist die Schabkarton-Technik: eine alte Technik, bei der er mit einem Messer weisse Linien aus einem dünnen schwarzen Untergrund schabt. Grinsend sagt Hannes Binder über sich: «Es gibt noch einen, der spinnt. Und der macht das immer noch von Hand.» Am Abend müsse er Russ und Staub am Boden haben.

Er ist kein Schwarz-, sondern ein Weissmaler. Wichtig dabei: Er muss im richtigen Moment aufhören können. «Wenn eine Fläche zu hell wird, geht die Spannung verloren.»

Über Hannes Binder

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Geboren 1947, wuchs Hannes Binder in Zürich auf und studierte an der dortigen Kunstgewerbeschule. Als ausgebildeter Grafiker arbeitete er von 1968 bis 1971 in Mailand und von 1975 bis 1978 in Hamburg.

Danach kehrte er nach Zürich zurück und arbeitete für zahlreiche Printmedien und Buchverlage, vornehmlich mit der für ihn typischen Schabkarton-Technik. Bekannt wurde er 1988 mit dem Krimi-Comic «Der Chinese» von Friedrich Glauser.

Handwerk, das aus der Zeit gefallen ist

In seinem grossen hellen Atelier in Zürich spricht Binder an einem seiner Arbeitstische über die Kunst des Illustrierens und den Stellenwert des Handwerks.

«In meinem Metier gehen die handwerklichen Fertigkeiten zusehends verloren», sagt Binder. Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass seine zeitintensive Arbeitsweise im digitalen Zeitalter ein Anachronismus ist.

Eine Illustration zeigt einen tanzenden Mann.
Legende: Binders Illustration zeigt Friedrich Glauser im Rauschzustand. Seine Werke sind detailverliebt und unverkennbar. Hannes Binder/Limmatverlag

Noch ganz anders war das in den 1970er-Jahren, als Illustratoren in den Printmedien heiss begehrt waren. Der Tages-Anzeiger setzte mit seinem neu gegründeten «Magazin» auf starke Texte und starke Bilder. Schon bald arbeitete Binder regelmässig für das Magazin, den Züritipp sowie für NZZ, Spiegel, Stern und Zeit.

Der Computer hat Illustration demokratisiert

Mit dem Aufkommen des Computers und dem Einsetzen der Medienkrise änderte sich das allmählich. Die Nachfrage ging zurück, die Konkurrenz wurde grösser, schneller und preiswerter. «Mit dem Computer hat ein gewisses ‹Jekami› eingesetzt», sagt der 74-Jährige leicht verschmitzt. Von Verbitterung keine Spur, denn er hat sich die Neugier auf die Welt ein Leben lang bewahrt.

Das zeigt sich etwa auch in seiner Graphic Novel «Der digitale Dandolo». Binder katapultiert sich an einen Zukunftskongress in Venedig und verfällt in einen irrwitzigen Traum.

Die Illustration zeigt Soldaten auf dem Meer bei der Eroberung einer stadt.
Legende: Binders Interpretation der Eroberung Konstantinopels in «Der digitale Dandolo». Hannes Binder/Limmatverlag

Darin erzählt er die Geschichte von Enrico Dandolo, der 1204 Konstantinopel erobert. Binder trifft auf Thomas Mann, Ezra Pound und Rainer Maria Rilke. Er zeichnet einen Poetry Slam auf Wasser und lässt sich in seitenfüllenden Illustrationen von Meisterwerken berühmter venezianischer Künstler inspirieren.

Diese Gemälde kann man sich mittels QR-Code direkt aufs Handy holen. Erstmals arbeitet der analoge Binder in seiner Kunst mit einem digitalen Mittel und sorgt damit für eine zusätzliche bildstarke Ebene.

Eine zweite Chance für die Literatur

Hannes Binder ist der Illustrator mit dem unverkennbaren Strich, und er ist ein passionierter und genauer Leser. Eine symbiotische Beziehung verbindet ihn mit Friedrich Glauser. Seine Kriminalromane waren vergessen, bis Binder sie mit seinen Illustrationen wieder ans Licht holte. Eine zweite Chance bekam dank der Umsetzung als Graphic Novel auch das Jugendbuch «Die Schwarzen Brüder» von Lisa Tetzner.

Buchhinweise

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  • Hannes Binder: «Der digitale Dandolo». Limmatverlag, 2020.
  • Hannes Binder: «Die Schwarzen Brüder». Nach Lisa Tetzner. Fischer, 2019.
  • Hannes Binder: «Glauser». Limmatverlag, 2011.

Ob Glauser, Kafka, Spyri oder Dürrenmatt: Binder bildet nicht ab, was im Text steht, sondern übersetzt ihn in seine eigene Sprache. Das verlangt nach einer doppelten Lektüre und der Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, was vielleicht nicht auf Anhieb verständlich ist.

Binder sagt dazu: «Meine Bilder sind nicht von links nach rechts, sondern in die Tiefe zu lesen. Das ist eigenartig, aber das Unbewusste ist ebenso ein Mitspieler wie der Zufall.»

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Talk, 02.03.2022, 09:05

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