Das Wichtigste in Kürze:
- Der Schriftsteller Franzobel hielt die Eröffnungsrede: Es war ein Appell an alle Autoren, politischer zu sein.
- Am ersten Tag las der Schweizer Daniel Goetsch: Er erhielt durchmischte Rückmeldungen von der Jury.
- Ein möglicher Preis-Anwärter brachte sich nach dem eher flauen Auftakt trotzdem bereits in Position: John Wray, Amerikaner mit österreichischen Wurzeln.
Als der österreichische Schriftsteller Franzobel vor 22 Jahren den Ingeborg-Bachmann-Preis bekam, gratulierte ein Nachbar seinen Eltern zur «tollen Karriere» ihres Sohnes als Friseur: «Der Nachbar glaubte tatsächlich – da es in meiner Heimatgemeinde einen Friseur namens Bachmann gab – dass es sich beim Bachmann-Preis um einen Wettbewerb für Nachwuchs-Friseure handeln müsse.»
Launige und ernste Eröffnungsrede
So launig Franzobels Eröffnungsrede zu den 41. Tagen der deutschsprachigen Literatur begann, so ernst war ihr Anliegen. Es war ein Weckruf an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sich politisch deutlicher zu positionieren: «Literatur ist Kampf! Kampf für Unterdrückte, für unangenehme Wahrheiten, unkonventionelles Denken, neue Formen, das Unmögliche.»
Bisher wenig Kampfeslust
Die fünf Texte des ersten Tages zeigen sich allerdings wenig kampflustig. Sie drehten sich ums Schreiben, um die Suche nach Identität, um den Weltuntergang.
Der Schweizer Daniel Goetsch (*1968) las einen Ausschnitt aus einem noch unveröffentlichten Roman. Es geht um einen Schriftsteller in Schreibkrise auf der Suche nach einem Stoff und um die Aufarbeitung deutscher Vergangenheit.
Die Jury war sich uneins. Jury-Vorsitzender Hubert Winkels nannte den Text «eine einzige Identitätsauflösungsgeschichte» und den Stil «betulich». Klaus Kastberger hielt dagegen, ihn interessiere die «epische Breite» und er habe «gerne zugehört».
Ein Text wie eine Babuschka-Puppe
Ein möglicher Preis-Anwärter brachte sich nach dem eher flauen Auftakt trotzdem bereits in Position. Auf John Wray (*1971), Amerikaner mit österreichischen Wurzeln, waren schon im Vorfeld alle gespannt.
Er las einen hochartifiziellen Text namens «Madrigal», den die Jury als «sehr virtuos» lobte. Die fragile Geschichte eines schriftstellerisch tätigen Geschwisterpaars erinnerte Jurorin Hildegard Keller an eine «Babuschka-Puppe».
Uns war dieser Text etwas zu absichtsvoll in der Form und zu wenig dringlich im Thema. Man spürt, dass John Wray ihn eigens für den Auftritt hier in Klagenfurt und für die Jury geschrieben hat – mit sehr viel Können, Tempo und Witz. Offen bleibt jedoch die Frage: Was ist eigentlich sein Anliegen?
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Nachrichten, 05.07.2017, 6:01 Uhr