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Literatur Jane und Paul Bowles – die Rebellin und der Dandy

Die Autoren Jane und Paul Bowles waren Kult in der New Yorker Avantgarde-Szene. Ihre Ehe war unkonventionell und lieferte Stoff für grosse Dramen. Sie hielt ein Leben lang und war weit mehr als ein Arrangement.

Jane und Paul Bowles wuchsen als Einzelkinder in New York auf. Paul studierte Musik und reiste als junger Mann nach Europa. In Paris besuchte er Gertrude Stein. Auf ihr Anraten hin fuhr er nach Tanger, eine Hafenstadt im westlichen Zipfel von Afrika. Die weisse Stadt am Meer faszinierte ihn und liess ihn zeitlebens nicht mehr los.

Offene Beziehung

Zurück in New York, machte Paul sich einen Namen als Komponist. Er schrieb Bühnenmusik für Orson Welles, Tennessee Williams, Garcia Lorca. 1937 lernte er die charismatische und exzentrische Jane Auer kennen. Die beiden machten ausgedehnte Reisen nach Lateinamerika und heirateten kurz entschlossen.

Es war eine komplexe Verbindung zwischen der bekennenden Lesbe Jane und dem primär homosexuellen Paul. Sie gaben einander die Freiheit, verschiedene gleichgeschlechtliche Partner zu haben. Die Ehe war kein Arrangement, sondern war Ausdruck gegenseitiger Inspiration und grosser Verbundenheit. Sie hielt ein Leben lang.

Ruhm trotz schlechter Kritiken

1943 veröffentlichte Jane ihren ersten Roman: «Zwei sehr ernsthafte Damen». Trotz schlechter Kritiken wurde sie als knapp 26-Jährige zum Star der New Yorker Avantgarde. Der Dramatiker Tennessee Williams schwärmte in seinen Memoiren von ihrem Talent und nannte sie kurzerhand die «grösste englisch schreibende Autorin unseres Jahrhunderts.»

Als Paul Bowles in einer Mainacht 1947 von Tanger träumte und sich entschloss, dorthin auszuwandern, folgte ihm Jane ein Jahr später. Paul lebte sein Dandytum und hatte ein sicheres Wissen um Eleganz und Stil. Die unkonventionelle Beziehung mit der geistreichen und witzigen Jane, machte das Paar zur Legende. Sie waren mondäne Nomaden, Vorreiter der freien Liebe, ein emanzipiertes Dichter-Tandem. Bald genossen sie Kultstatus.

Tanger – Treffpunkt der modernen Avantgarde

Tanger wurde zum Treffpunkt der modernen Avantgarde: William S. Borroughs, Tennessee Williams, Truman Capote, Boris Vian und Jean Genet trafen sich dort. Tanger war ein magischer Ort: Das Leben war billig – Alkohol und Haschisch ebenfalls. Nach den Beatniks, (Jack Kerouac und Allen Ginsberg) folgten die Hippies. Ihre rebellischen Lebensentwürfe mit «freier Liebe» und «gutem Haschisch» praktizierten Paul und Jane schon seit über 30 Jahren.

Paul Bowles schrieb in Tanger seinen erfolgreichsten Roman: «Himmel über der Wüste». Immer wieder machte er ausgedehnte Reisen nach Sri Lanka, Indien und Spanien. Doch Jane kämpfte mit wachsenden Schreibblockaden, litt unter Ängsten und Zweifeln.

Jane wird krank

Trotz zahlreicher gleichgeschlechtlicher sexueller Affären, blieben sich Jane und Paul immer sehr verbunden. Als sich Jane in Cherifa, eine marokkanische Marktfrau, verliebte, verstärkten sich ihre irrationalen Ängste und Neurosen. Jane liess sich gängeln und ausbeuten. Sie verfiel immer mehr dem Alkohol, ihr geistiger Zustand trübte sich zusehends.

Mit erst 40 Jahren hatte sie einen Schlaganfall. Nun begann ihr langsames, qualvolles Sterben. Ihre geistige Verwirrung wuchs, sie konnte nicht mehr schreiben, irrte durch die Gassen Tangers. Schliesslich brachte Paul sie nach Málaga in ein Hospital. Dort starb sie nach langer Agonie mit nur 57 Jahren.

Engagierter Vermittler maghrebinischer Kultur

Nach Janes Tod verliess Paul Bowles Tanger nur noch selten und er schrieb auch keine Romane mehr. Er blieb weiterhin ein engagierter Vermittler der maghrebinischen Kultur, zeichnete die traditionelle nordafrikanische Musik auf und rettete sie so vor dem Vergessen.

Auch mündlich überlieferte marokkanische Geschichten übersetzte er ins Englische und veröffentlichte beinahe zwei Dutzend Bücher. Bis zuletzt empfing Bowles in seiner Wohnung immer wieder Besucher: marokkanische Schafhirten, Künstler und Reporter. 26 Jahre nach Jane starb Paul mit 88 Jahren im Krankenhaus von Tanger.

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