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Krimi mit viel Psychologie «Jeder Mensch trägt einen Mörder in sich»

Friedrich Ani ist einer der bekanntesten Krimiautoren Deutschlands. Das Morden allerdings interessiert ihn wenig. Er will die Seele der Menschen ausloten. Warum tun sie Böses?

Friedrich Ani mordet in seinen Romanen lieber leise als laut. Das passt zu ihm. Er ist ein zurückhaltender Mensch, spricht bedächtig und gedämpft. Blut fliesst in seinen Krimis selten. Für ihn steht der Mensch im Zentrum.

Friedrich Ani schleicht hinter seinen Figuren her, beobachtet sie, nähert sich ihnen an. Er wartet, bis sie sich ihm öffnen. Das tut er bei den Tätern, den Opfern, den Ermittlern. Dabei lässt er sich viel Zeit. Tempo, künstlich erzeugte Spannung im Plot – das interessiert ihn nicht. Deshalb herrscht in seinen Kriminalromanen eine seltsam stille Atmosphäre.

«Meine Figuren sind alles verbeulte Menschen»

Friedrich Ani schreibt psychologisch tiefgründige Kriminalromane. Seine Figuren sind vielschichtig und keine schwarz-weiss Charaktere. Die Kommissare sind «verbeulte Typen», so wie die Leute, mit denen sie es zu tun haben. Solche Figuren mag Ani. Ihnen bleibt er lange treu. Sein bekanntester Kommissar «Tabor Süden» hat ihn über 19 Kriminalromane hinweg begleitet. Mit dem pensionierten Kriminalkommissar Jakob Franck hat er vor kurzem eine neue Serie gestartet.

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Der namenlose Tag von Friedrich Ani
aus Kontext vom 23.09.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 17 Minuten 51 Sekunden.

Der Krimi «Ermordung des Glücks» ist erst der zweite Fall mit Franck. Friedrich Ani lenkt ein: «Diesen Franck muss ich erst noch genauer kennenlernen.»

Kommissar Franck hat eine seltene Begabung. Er weiss, wie man Angehörigen schlimme Botschaften – einen Todesfall, einen Mord – überbringt. Meist lässt ihn dann der Fall nicht mehr los. Die Trauer der Betroffenen bewegt ihn. Er betet mit ihnen, hält sie in den Armen und fühlt sich verpflichtet, bei der Aufklärung zu helfen, obwohl er bereits pensioniert ist.

So kann es passieren, dass Franck stundenlang an einem Tatort steht oder über den Fall meditiert. Der Kommissar nennt es «Gedankenfühligkeit». «Ja, des is sauber esoterisch.» sagt Ani in seinem breitem bayrischen Dialet. «Aber es funktioniert! Franck löst danach jeden Fall.»

Wie Ermittler so Autor

Friedrich Ani hat natürlich gewisse Ähnlichkeit mit seinem Ermittler. Auch er sitzt in Kneipen und beobachtet Menschen. Die Leute setzen sich zu ihm, denn er ist ein exzessiver Zuhörer. Es sei fast wie bei der Beichte. «Jeder Mensch braucht jemanden, der ihm zuhört, sonst verkümmert er», meint Friedrich Ani. «Klar, man kann überleben, wenn niemand da ist, der zuhört. Aber gesund ist das nicht.»

Die meiste Zeit von Friedrich Anis Lebens spielt sich nicht in Kneipen ab, sondern in seinem Zimmer. Da sinniert er darüber, was Menschen zu Verbrechern macht und was sie zum Töten anstiftet. Er ist überzeugt, dass die meisten Morde Beziehungstaten sind, die aus einem Affekt heraus geschehen.

«Jeder Mensch trägt einen Mörder in sich»

Friedrich Ani weiss wovon er spricht. Er hat vor seinem Leben als Schriftsteller zuerst in einem Heim für Jugendliche und danach acht Jahre als Polizeireporter gearbeitet. Mord, sagt er, sei definitiv keine oberflächliche Angelegenheit. Da gehe es immer um Verletzungen, Schuld oder Versäumtes. Dinge, die tief in der Seele schlummern. Ani trocken: «Jeder Mensch trägt einen Mörder in sich. Die meisten haben ihn aber unter Kontrolle.»

Darum sind seine Romane mindestens so sehr psychologische Studien wie Krimis. Allerdings sei die Form des Krimis für ihn ideal. «Das Koordinatensystem, das zum Genre gehört, gibt mir Halt.»

Mitte 30 hat er gemerkt, dass der Krimi die richtige Bühne für ihn sei. Er könne in der Welt der Opfer, Täter und Ermittler die Biografien der Figuren entwickeln und ihren Geheimnissen auf die Schliche kommen. «Wie in den Liedern von Bob Dylan, der mich durch mein ganzes Leben begleitet hat, geht es in meinen Büchern um tiefschürfende Themen wie Verlust, Trauer und Liebe.»

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