Die Buchhandlung Carusel im Zentrum von Bukarest ist ein Literaturtempel. Auf vier weiss gestrichenen Etagen mit umlaufenden Balustraden werden Bücher präsentiert.
Doch das prächtige ehemalige Kaufhaus ist die Ausnahme – auch in Bukarest, wo es nur wenige gut sortierte Buchhandlungen gibt. Noch schlimmer ist die Situation ausserhalb der Metropole.
Gerade einmal 250 Buchläden zählt das Land, bei einer Bevölkerung von rund 20 Millionen. 70 Prozent der Buchverkäufe entfallen auf die Hauptstadt.
Wenige Buchläden, kaum Leser
Das war nicht immer so. «Nach der politischen Wende 1989 wurde das landesweite Netz von Buchfilialen zerstört», sagt Bogdan-Alexandru Stănescu.
Der Cheflektor von Polirom, des neben Humanitas wichtigsten literarischen Verlags des Landes, erklärt, dass nur noch in den grossen Städten Bücher verkauft werden. «Auf dem Land gibt es keine Buchläden mehr – und also auch keine Leserschaft.»
Luxusgut Buch
Aber das Buchhandelssterben ist nicht der einzige Grund, warum die Rumänen wenig lesen. 500 Euro verdienen die Menschen in dem Land im Durchschnitt pro Monat. Da heisst es nur allzu oft: genau rechnen.
Bücher kosten immerhin 8 bis 9 Euro. «Wenn jemand aus der Mittelschicht nur 10 Euro in der Woche für Unterhaltung erübrigen kann, wofür gibt er sie dann aus? Geht er ins Kino, kauft er sich eine Platte oder ein Buch?», fragt Stănescu.
Lieber Blumen als Bücher
Der junge Präsident des Verlegerverbandes Mihai Mitrică ist weniger verständnisvoll. «Es fehlt nicht an Geld. Ein Buch ist nicht so teuer, dass es nicht erschwinglich wäre. Verleger hier haben schliesslich die gleichen Kosten wie Verleger anderswo in der Welt. Sie müssen Papier kaufen, Lizenzrechte etc.»
60 Millionen Euro werden in Rumänien mit Büchern pro Jahr umgesetzt, das ist auch im Vergleich zu Nachbarländern wie Ungarn sehr wenig. Der rumänische Blumenmarkt bringt es hingegen immerhin auf 200 Millionen Euro.
Düstere Aussichten
Mitrică glaubt nicht, dass sich die Dinge für das Buch schnell zum Besseren wenden werden. «Unser Bildungssystem ermuntert die Kinder nicht zum Lesen, sondern bringt sie eher davon ab», sagt er.
Eine Untersuchung habe ergeben, dass 42 Prozent der 15-Jährigen funktionale Analphabeten sind. Sie konnten mithin zwar einen Text lesen, hatten aber keine Ahnung, was sie gelesen hatten.
Das Niveau der Ausbildung sinkt beständig weiter. Unter den Menschen, die ihrem Land den Rücken kehren – vier Millionen Rumänen sind in den letzten Jahren ausgewandert –, befinden sich viele Hochqualifizierte, auch Lehrer.
Kostendruck und Korruption
Während unter solchen Bedingungen zunehmend lediglich grosse Verlage und einige wenige Buchhandelsketten überleben, ist die Situation für Autoren besonders prekär.
Zwar gehen zwei Prozent des Buchverkaufspreises an die Schriftstellervereinigung, doch von den Einnahmen profitieren nur wenige. Gegen den Autorenverband laufen zahlreiche Verfahren wegen Korruptionsverdacht.
Schreiben ist brotlos
Die junge Lavinia Branişte, deren Roman «Null Komma Irgendwas» gerade ins Deutsche übersetzt wurde, kritisiert überdies ein strukturelles Ungleichgewicht: «Die Verleger können uns so geringe Honorare anbieten, wie sie wollen. Sie gehen davon aus, dass man froh und dankbar ist, den eigenen Namen auf dem Buchcover zu sehen und sich vom Ruhm ernährt.»
Obwohl sich Braniştes Roman in Rumänien überdurchschnittlich gut verkauft hat, reichen die Einnahmen gerade einmal, um einen Monat über die Runden zu kommen, klagt sie.
Autorenschaft in der Prekarität
Auch ihr Schriftstellerkollege Cătălin Mihuleac, der in seinem Roman «Oxenberg & Bernstein» an ein antijüdisches Pogrom von 1941 erinnert, ist nicht gut auf seine Verleger zu sprechen: «Vorschüsse gibt es in Rumänien nicht. Viele der Reisen, die ich gemacht habe, um das Buch vorzustellen, musste ich selbst finanzieren.»
Auswandern, wie so viele ihrer Landsleute, wollen Branişte und Mihuleac nicht. Sie haben die Hoffnung darauf noch nicht aufgegeben, im eigenen Land mehr Leser zu finden und von den Einkünften besser leben zu können,