«Auftritt Schweiz» – ist das nun eine Form der geistigen Landesverteidigung, um quasi dem deutschen Publikum zu zeigen, welche Werte wir hochhalten und welche Inhalte uns wichtig sind?
Tim Guldimann: Es ist ja interessant, dass Sie diesen Rückbezug auf die 30er-Jahre machen, als unsere Kulturpolitik in der Abgrenzung geboren wurde. Diese Abgrenzung wirkt ja weiter; sie wirkt insofern, als man immer die vier Landessprachen hochhält – quasi als Ausdruck des Sonderfalls. Im Anliegen, diesen Auftritt Schweiz besonders zu unterstützen, geht es mir eigentlich um folgendes: zu zeigen, dass die Deutschschweiz mit ihrer Literatur zum deutschen Kulturkreis gehört und unsere Literatur Teil ist der deutschen Literatur. Das war mir ein grosses Anliegen und deshalb lehne ich den Begriff «Gastland» ab; wir sind nicht Gäste, sondern wir gehören dazu.
Es ist für die Schweiz auch eine grosse Chance, mit diesem Auftritt an jener Buchmesse präsent zu sein, die eine Autorenbuchmesse ist. Im Gegensatz zu Frankfurt, die eine Kommerzbuchmesse ist, spielt in Leipzig das Publikum eine zentrale Rolle. Die Messe hat eine grosse Ausstrahlung – einerseits in den gesamten deutschen Kulturraum, andererseits auch in den Osten.
Inwiefern können denn unsere Verlage von dieser Schweizer Bücher-Offensive profitieren?
Nun, dank dieses Auftritts haben Schweizer Verlage die Chance, besonders wahrgenommen zu werden. Ein Verlag lebt ja von der Literatur, und ich bin überzeugt, dass der schweizerische Beitrag im Rahmen der deutschen Literatur wichtiger ist als der Anteil der 4,5 Millionen deutschsprachigen Schweizer am deutschen Kulturraum insgesamt.
Das erklärt sich durch unsere spezielle Geschichte und die Sonderstellung unserer Kultur: Schweizer Künstlerinnen und Künstler hatten immer schon einen Fuss im Ausland und einen im Inland. Das zeigt sich jetzt noch deutlicher am Beispiel der Immigranten-Literatur: Nicht von ungefähr wurde der Schweizer Buchpreis schon dreimal von Menschen, die eingewandert sind, gewonnen. Ich glaube, die Schweiz ist einfach ein interessanter Kulturplatz.
Am «Auftritt Schweiz» nehmen Dutzende von Autorinnen und Autoren teil: Was nützt ihnen eine solche Präsentation?
Ich glaube, unsere Schriftstellerinnen und Schriftsteller erhalten in Leipzig eine besondere Plattform und können sich einem breiten Publikum präsentieren. Die Buchmesse Leipzig ist ja ein Ort, wo viele Menschen hinkommen. Auch Leute von den Medien.
Unser Image im Ausland – gerade auch in Deutschland – ist ja nach der Zuwanderungsinitiative etwas angeschlagen. Welchen Nutzen sehen Sie für unser Land in diesem «Auftritt Schweiz»?
Man muss aufpassen, dass man solche Operationen nicht stets vom nationalen Nutzen her denkt. Ich glaube generell, dass wir – besonders jetzt – gefordert sind, unsere Kommunikation zu verstärken, um uns zu erklären. Und zwar nicht vom Politischen her, nicht von der konkreten Fragestellung her, die jetzt aufgrund des Volkswillens neu in der Verfassung geschrieben steht. Diese Aufgabe müssen wir viel breiter anpacken, und hier leistet die Literatur einen wichtigen Beitrag.
Sie werden ja auch in Leipzig, an der Messe, präsent sein. Auf was freuen Sie sich ganz besonders?
Auf die Möglichkeit, diese Position darzustellen, dass wir in der Deutschschweiz auch Teil der deutschen Literatur sind.