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Das Evangelium der Aale
Aus Kontext vom 13.04.2020. Bild: Keystone / EDDY RISCH
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Literarisches Sachbuch Wie der Aal die Weltgeschichte prägte

Aale sind anders. Der Journalist Patrik Svensson geht ihnen in «Das Evangelium der Aale» auf den Grund – und findet Faszinierendes.

Grau-gelbliche, schleimige Tiere winden sich um einen abgetrennten Pferdekopf, von dem sie über Nacht den Grossteil abgefressen haben.

Manchen wird dieses Bild aus Günter Grass' «Blechtrommel» oder doch mindestens etwas Ähnliches vor dem geistigen Auge aufscheinen, wenn die Rede auf Aale kommt.

Aalen haftet etwas Widerwärtiges, vielleicht Unheimliches an. Patrik Svensson hätte für sein erstes Buch bestimmt eine besser verträgliche Hauptfigur finden können. Das wollte er aber nicht – zum Glück.

Vielschichtige Spurensuche

In seinem «Evangelium der Aale» begibt sich Svensson auf eine umfassende und vielschichtige Spurensuche des europäischen Aals. Dabei geht er aus von seiner eigenen Faszination für das Tier, die ihm in die Wiege gelegt wurde.

Als kleiner Junge fuhr der Autor mit seinem Vater jeweils an den Fluss, um Aale zu angeln. Svenssons persönliche Familiengeschichte ist, wie alles, was er im Buch zeigt, eng mit den Aalen verbunden.

Bald fand er auf diesen Angelausflügen heraus, was die treibende Kraft hinter jahrhundertelanger Aalforschung ist: Aale haben etwas zutiefst Rätselhaftes. Man bekommt sie physisch wie intellektuell kaum richtig zu fassen. Sie entgleiten uns stets.

Vielseitige Kreaturen

Schon fast 2000 Jahre lang halten die Aale die Forschung auf Trab. Aristoteles hat sie untersucht, Sigmund Freud auch. Manch eine Forscherin und ein Forscher haben gar ihr ganzes Leben damit verbracht, dem Aal nachzuspüren.

Viele von ihnen haben äusserst kuriose Behauptungen aufgestellt, doch niemand von ihnen hat je alle «Aalfragen» beantworten können. Bis heute sind zum Beispiel nie zwei Aale bei der Paarung beobachtet worden.

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Aal ist Fisch des Jahres 2018
Aus SRF News vom 02.01.2018.
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Der Aal schreibt Geschichte

Überaus kenntnisreich führt Svensson in seinem Buch die verschiedensten Wissensgebiete zusammen. Vom Forschungsbeginn aus rollt Svensson die Weltgeschichte anhand des Aals auf. Er lässt keinen Bezug aus.

Die Besiedelung Nordamerikas mit dem Segelschiff «Mayflower»? Selbstverständlich ernährten sich die Gründer von Aalen. Der Nordirlandkonflikt? Drehte sich nicht zuletzt um Aale.

In Schweden gibt es gar eigene Aalgesetze aus alter Zeit – und auch vor der Literatur (Grass, Hoffmann, Swift) macht Svensson nicht Halt.

Vom Krimi bis zum Heldenmythos

Literarisch ist das Buch sehr gelungen aufbereitet. Man merkt: Hier listet nicht einfach jemand natur- und geschichtswissenschaftliche Fakten auf – hier hat jemand eine spannende Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die wie nebenher unglaublich viel Wissen transportiert.

Buchhinweis

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Patrik Svensson: «Das Evangelium der Aale». Hanser, 2020.

Als studierter Literaturwissenschaftler und Journalist weiss Svensson, was er tut. Er hat sorgfältig recherchiert und massenhaft Beispiele bei der Hand. Mit sicherer Hand bedient er sich bei Stilmitteln aus den unterschiedlichen Genres, vom Krimi bis zum Heldenmythos.

Das Resultat wurde nicht von ungefähr in über 30 Sprachen übersetzt. Schwer, ein Buch zu finden, in dem man auf ähnlich unterhaltsame Weise so viel Neues lernen kann.

Raido SRF 2 Kultur, Kontext, 14.4.2020, 9:00 Uhr

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