«Luisa hat beschlossen aufzuräumen. Als Erstes muss Alfred weg». Schon die erste Zeile im Buch sitzt: Mit Alfred hat Luisa mehr als ihr halbes Leben geteilt, wobei er überhaupt nicht daran teilgenommen hat. Er ging seinen eigenen Weg, glaubte sich als Künstler verwirklichen zu müssen und überliess die familiären Bürden seiner Frau: Luisa musste mit ihrem Lehrerinnen-Lohn den Unterhalt berappen, die Kinder erziehen und Tochter Maja betreuen, als diese nach einer verpfuschten Mandel-Operation im Rollstuhl landete.
Jetzt, mit 71, hat Luisa genug: Sie sinnt auf Rache. Und wenn sie wegen Alfred schon zur Mörderin werden soll, kann sie ja auch gleich noch zwei andere Typen ins Jenseits befördern: den Arzt, der Majas Leben kaputt gemacht hat, und den Schwiegersohn, der Tochter Mirjam den Alltag vergällt. Ein vergiftetes Curry soll es richten.
Tiefgang trotz Heiterkeit
Dieser Plot tönt wie der Anfang eines Romans von Ingrid Noll. In deren Büchern wimmelt es von rabiaten Seniorinnen, die gnadenlos zur Tat schreiten, und sich in der Anwendung von todbringenden Substanzen bestens auskennen.
Aber «Aufräumen» ist tiefgründiger, abgründiger und auch sprachlich raffinierter geschrieben: Mit leiser Ironie und gutem Tempo treibt Angelika Waldis ihre Geschichte vorwärts, lässt Luisa bereits auf der Zugsreise an den ersten Tatort eine liebenswürdige Bekanntschaft machen: Sie trifft Flack -– einen schrägen Vogel, der aus einer psychiatrischen Klinik ausgebrochen ist. Gleichzeitig rollt die Autorin in Rückblenden das bisherige Leben von Luisa auf und schafft die heikle Gratwanderung, Tiefgang mit Heiterkeit zu verbinden.
Altersradikalität
Angelika Waldis greift in diesem Buch ein sehr aktuelles Thema auf: Die Scheidungsstatistik beweist, dass immer mehr Frauen über 60 ihre Männer satt haben. Und den Drang verspüren, auch nach der Pensionierung noch zu neuen Ufern aufzubrechen. Kein Wunder also erlebt der Begriff «altersradikal» derzeit Hochkonjunktur.
Angelika Waldis mag diese Bezeichnung nicht besonders: «Ich würde eher von ‹Freiheit› sprechen. Wenn man alt ist, darf man sich in der Gesellschaft viel mehr leisten, weil es nicht mehr so eine wichtige Rolle spielt, was die Leute von einem denken. Man ist auch freier, seine Meinung zu sagen und fühlt sich nicht länger dazu gezwungen, schön und nett daherzukommen.»
Nicht autobiografisch
Angelika Waldis spricht aus eigener Erfahrung; sie, die in früheren Jahren das Jugendmagazin «Spick» mitbegründet hat, ist mittlerweile 73 Jahre alt und geniesst – wie sie sagt – diese neuen Freiheiten. Ansonsten sei der Stoff überhaupt nicht autobiografisch.
Und mit der Widmung am Anfang des Buches «Einmal mehr für Othmar» macht sie auch klar, dass bei ihr der Haussegen noch gerade hängt. Ihr Mann sei übrigens auch stets ihr erster Leser, und diese Geschichte habe ihm sehr gut gefallen.
Talent für das Schicksal
Auf die Frage, ob sie eine Botschaft habe mit «Aufräumen», verweist Angelika Waldis auf ein Zitat von Novalis: «Glück ist das Talent für das Schicksal». Ihre Luisa habe dieses Talent für das Schicksal: «Sie nimmt es in die Hand, und es wird ihr Glück bringen». In diesem Sinne sei auch der Inhalt dieses Buch zu verstehen – als Appell: «Liebe Freundinnen und Freunde – vergnügt Euch.»