Mit «Salz auf unserer Haut», der Geschichte einer leidenschaftlichen Liaison zwischen einer Pariser Intellektuellen und einem Fischer, hatte Benoîte Groult Millionen von Leserinnen und Lesern ergötzt. Aber auch viele vor den Kopf gestossen.
Die literarische Bedeutung des autobiografischen Romans ist bis heute umstritten: Bemerkenswert: Ausgerechnet in Frankreich bekundete man grosse Mühe mit Groults freizügiger Sprache. Der Roman wurde zunächst als «Frauen-Porno» diskreditiert und literarisch erst ernst genommen, nachdem er in Deutschland hymnisch gefeiert worden war.
«Zu dumm und ungebildet»
Über ihren Mut, als Ich-Erzählerin ihre Liaison vor aller Welt auszubreiten, war sie noch lange erstaunt, wie sie in ihrer 2009 auf Deutsch erschienenen Biografie «Meine Befreiung» schrieb.
Darin offenbarte sie auch, dass es sich bei dem Fischer um den 2004 verstorbenen Kurt Heilbronn gehandelt habe. Den amerikanischen Piloten hatte sie 1945 nach der Befreiung Frankreichs kennengelernt. Über 50 Jahre dauerte die Affäre zwischen den beiden – trotz mehrerer Ehemänner und Kinder.
Wie im Roman machte Kurt ihr einen Heiratsantrag, aber Groult lehnte ab. «Ich fand ihn viel zu dumm und ungebildet», sagte sie einmal in einem Interview: «Es hätte nicht gehalten, wir hätten keine 50 Mal miteinander geschlafen.»
Feministischer Befreiungsschlag
Groult stammt aus der Pariser Oberschicht. Schon ihr erster, 1972 veröffentlichter Roman «La part des choses» – das Buch kam 1999 im deutschsprachigen Raum unter dem Titel «Die Dinge, wie sie sind» heraus – thematisiert die Beziehungen zwischen Mann und Frau.
Erst «Salz auf unserer Haut» sei aber zu ihrem feministischen Befreiungsschlag geworden, schreibt sie in ihrer Autobiografie «Salz des Lebens», in der sie mit einer Gesellschaft abrechnet, die dem Jugendwahn huldigt und das Alter verschmäht. Vor allem das Alter der Frauen.
Biss bis zuletzt
Benoîte Groult hat sich immer wieder für Gleichstellungsfragen in Frankreich stark gemacht. Unter Francois Mitterand leitete sie eine Kommission, die für männliche Berufsbezeichnungen weibliche Namen suchte. Sie engagierte sich für Abtreibung und Pille – später auch für Sterbehilfe.
Groult gehörte zweifellos zu den prominentesten Feministinnen Frankreichs. Sie stiess sich an der Selbstverständlichkeit, mit der die jungen Frauen sich heute auf dem Terrain bewegen, das sich die Grossmütter noch hatten erkämpfen müssen. Zahmer und zurückhaltender ist Benoîte Groult im Alter nicht geworden
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 21.06.2016, 17:15 Uhr